Keine Flanken, keine Tore

Eine trostlose Niederlage in Luzern, ein ernüchterndes 0:0 gegen Lausanne. Der FC St. Gallen kommt nicht vom Fleck. In der Offensive strahlt die Mannschaft keine Gefahr aus. Am besten funktioniert noch die Defensive – wenn auch selten über volle 90 Minuten.
Was ist anders als im Herbst?
In der Vorrunde schoss der FC St. Gallen oft Tore gegen einen Gegner, der sich in der Vorwärtsbewegung befand. Die Mannschaft wartete weit aufgerückt zwischen Mittellinie und eigener Strafrumgrenze, besetzte die Räume im Mittelfeld, konnte Überzahlsituationen schaffen und verwickelte den Gegner in zahllose Zweikämpfe. Diese Taktik verlangt, dass die Spieler möglichst weit nach vorne rücken, damit sie mit viel Laufarbeit ein wirkungsvolles Pressing aufziehen können. Sie müssen wie ein intelligenter Schwarm funktionieren, der sich immer wieder neu auf den ballführenden Gegner ausrichtet.
Natürlich spielen praktisch alle Mannschaften mit diesem System – die Thuner vielleicht am besten.
Das führt in vielen Begegnungen zu Patt-Situationen, die sich erst auflösen, wenn einer Mannschaft durch Zufall, wegen eines Abwehrfehlers oder nach einem Platzverweis ein Tor gelingt.
Beispiele dafür sind der Cupfinal oder die Begegnung Luzern – St.Gallen.
Es gibt diverse Gegenstrategien:
Populär ist die Dreierabwehr. Diese Variante bietet sich an, weil es kaum noch Mannschaften gibt, die mit zwei klassischen Sturmspitzen antreten. Man hat so einen zusätzlichen Spieler im Mittelfeld, um das eigene Spiel mit kurzen Pässen aufzubauen. Je nachdem wie diese Taktik gespielt wird, funktioniert sie auch als defensive Variante: Dann sind es bei gegnerischen Ballbesitz plötzlich fünf statt drei Verteidiger, weil die beiden Mittelfeldspieler auf den Seiten kaum je nach vorne rücken. So spielte beispielsweise der FCZ im Februar in St.Gallen.
Eine Gegenstrategie zum Mittelfeldgerangel sind weite Pässe. Das Problem ist, dass solche Zuspiele meistens zu lange in der Luft bleiben. Der gegnerischen Abwehr bleibt genügend Zeit, sich zu verschieben oder den einzigen Stürmer unter Druck zu setzen. Wie es funktioniert, wenn dieses Mittel richtig eingesetzt wird, zeigte das 3:1 gegen Aarau, als Janjatovic aus vollen Lauf einen scharfen 30-Meter-Pass auf die rechte Angriffseite spielte, genau in den Lauf von Martic, der den Ball direkt zu Karanovic weiterleitete.
Die klassische Variante von Saibenes Mannschaft ist eine andere: Sie versucht, den Raum auf den Seiten auszunützen. Die linken und rechten Mittelfeldspieler drängen jeweils ins Zentrum, ziehen ihre Gegenspieler mit und machen so den Weg frei für die Aussenverteidiger. Das Problem ist offensichtlich: Sowohl Mutsch oder Martic als auch Lenjani werden zwar immer wieder freigespielt. Nur sind ihre Flanken viel zu schlecht, um für Torgefahr zu sorgen. Dieses Manko ist das Hauptproblem des St.Galler Spiels.
In den letzten Spielen schaffte es St.Gallen seltener als früher, den Gegner zu Fehlern zu zwingen. Ob die Mannschaft tiefer steht als in der Vorrunde, ist schwierig festzustellen. Sicher ist, dass sich die Gegner besser auf Saibenes System eingestellt haben. Das ist auch die Erklärung, wieso das St.Galler Kombinationsspiel, das auf Sicherheit und nicht auf Tempo angelegt ist, ebenfalls nicht mehr richtig funktioniert. Da die Aufbauer sofort unter Druck gesetzt werden, ist die Fehlpassquote gestiegen
Weil alle Mannschaften, ausser vielleicht Basel in normaler Besetzung, mit den gleichen strategischen Problemen kämpfen, fallen Siege oder Niederlagen oft zufällig aus. Young Boys, Luzern, Thun, Zürich, St.Gallen: Alle gewannen bisher in der Rückrunde ein paar Spiele hintereinander, um dann scheinbar grundlos in ein Loch zu fallen.
Der Vorteil: Für alle liegen die Europacup-Plätze weiterhin in Reichweite.
Sogar für den FC St.Gallen.