Karriere oder Outing

Marcel Gisler braucht nur einige wenige kurze Szenen, um die Handlung von Mario zu lancieren: Der junge Fussballer Mario (Max Hubacher) klatscht sich auf dem Weg in die Umkleidekabine mit seinen Mitspielern ab. Dort wird ein neues Teammitglied vorgestellt: Leon (Aron Altaras) ist ein talentierter Stürmer aus Deutschland. Zwischen den beiden Konkurrenten um einen lukrativen Vertrag entwickelt sich bald eine Liebesbeziehung. Und die Probleme beginnen.
Sie werden im Trainingslager von Mitspielern ertappt. Die Klubleitung bekommt Wind davon und interveniert. Der Tenor: Nichts davon darf öffentlich werden – wegen der Sponsoren. Und es wäre hilfreich, wenn sich die beiden mit Frauen zeigen würden, um den «Gerüchten» entgegenzuwirken. Das Mobbing durch die Mitspieler lässt sich aber nicht stoppen. Zum grossen Eklat kommt es nicht. Aber beide müssen sich entscheiden: Entweder Karriere oder Outing.
Vom ersten Moment an ist am Klubemblem ersichtlich, dass die Geschichte im Kreis der U-21-Mannschaft des BSC Young Boys angesiedelt ist. Im Film sind es dann allerdings die Fussballer des FC Bern (2. Liga interregional), die in den gelb-schwarzen YB-Trikots auftreten. Für den Nachwuchs des Super-League-Klubs hätten die Dreharbeiten die Trainings zu sehr beeinträchtigt, erzählte Gisler dem Filmpublikum vor der Premiere.
Die Stärken des Films sind auch die Stärken Regisseurs, der zuletzt 2015 mit Electroboy den Schweizer Filmpreis gewann. Sie liegen in der Schauspielführung, bei der sorgfältigen Besetzung von Nebenfiguren und nicht zuletzt in der Qualität der Dialoge (in Mundart). Nicht unwichtig: Kamerafrau Sophie Maintigneux ist es gelungen, die Matchszenen mit den Schauspielern realistisch aussehen zu lassen.
Natürlich ist das Thema nicht neu: Und es gibt keine Zweifel, dass die Versteckspiele schwuler Spieler so oder ähnlich wie im Film in allen Klubs in allen Ligen vorkommen können. Beim FC St. Gallen, beim SC Brühl, beim FC Fortuna.
Ab dem 22. Februar startet Mario in den Kinos (in St.Gallen im Kinok).
Erklärungen für die systemimmanente Homophobie im Fussball liefert Gisler nicht. Er zeigt aber, wie die Spieler in einer Parallelwelt leben: Eine Gruppe von jungen Männern verbringt fast die ganze Arbeits- und Freizeit zusammen, im Trainingszentrum, in der Klubwohnung. Vieles wird ihnen von Beratern abgenommen. Alles wird dem Erfolg untergeordnet – schliesslich wurde in die Spieler viel investiert. Homosexualität wird da als Bedrohung eines lukrativen Geschäftsmodells angesehen und auch deshalb unterdrückt.
Dabei kann man Fussball auch ganz anders sehen: Jedes Tor ein Vorwand für innigste Umarmungen.
Im Vorfeld der Dreharbeiten hat Marcel Gisler unter anderem mit Thomas Hitzlsperger und Markus Urban Gespräche geführt. Der eine war deutscher Nationalspieler und hatte sein Coming Out 2014 erst nach der Karriere. Der andere hörte mit 23 Jahren mit Kicken auf, weil er es im schwulenfeindlichen Fussballmilieu nicht aushielt.
Sieben Jahre dauerte es, bis es Mario von der Drehbuchidee auf die Leinwand schaffte. Übrigens auch mit Hilfe der St.Galler Filmförderung, die 120’000 Franken beisteuerte. In dieser ganzen Zeit habe sich an der Situation nichts geändert, stellte Marcel Gisler fest. Ein Happyend kam für ihn deshalb nicht in Frage: «Ich wollte mit meinem Film in der Realität ankommen, so wie sie heute ist», sagte er nach der Premiere.
In diesem Sinn: