Im Block sprudelt Kunst und Öl
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Hier wohnten einmal Kellenbergers. Vierzig Jahre lang, vom Bau des Blocks in den Siebzigern bis zu seiner Räumung vor sieben Jahren. Karin Bühler hat die Kellenbergers aufgespürt, mit dem Sohn gesprochen und die Erinnerungen auf kleinen Text- und Bildscreens ins einstige Wohnzimmer zurückgebracht, akkurat aufgestellt wie früher die gerahmten Familienfotos. Das Elternschlafzimmer war tabu, der Vater Pfeifenraucher und Jaguarfahrer, die Mutter rastlos im Haushalt tätig, wo es «immer etwas zu wischen gab»: Was man erfährt, ist unspektakulär, aber persönlich und zeitdiagnostisch aufschlussreich.
Das ist auf seine Art auch Frank Kellers Badezimmer. Er hat die noch gut erhaltenen Plättli mit Männer- und Glamour-Bildern aus den Siebzigerjahren vollgeklebt, der Duschkopf dient als Taschenlampe beim Flanieren im leicht muffigen «Bravo»-Milieu von damals – die Frühzeit des Blocks und die Jugendzeit des Künstlers zugleich.
Kunstvoller Schimmel
Heute ist der Block, gleich bei der Endstation des Rotmontenbusses gelegen, ziemlich kaputt. Bevor er abgerissen wird, hat ihn Leila Bock für die Kunst erobern können. Die Spuren des Zerfalls werden zu Fährten für Neues.
Georgette Maag hat den schwarzer Schimmel an den Wänden ihres Kämmerchens gelassen und setzt ihm eine Tapete entgegen, die in der eigenen Haus-Biographie der Künstlerin eine Rolle spielte. Elke Graalfs verstreut die abbröckelnden Deckenstücke gleich über den ganzen Boden – was Kunst und was Haus ist, wird ununterscheidbar.
Den bezauberndsten Umgang mit dem Zerfall hat Susanne Hofer gefunden: Sie lässt in einem verdunkelten Kinderschlafzimmer einen Projektor laufen, dank dem der aufgewirbelte Teppichstaub wie ein Meteoritenschwarm über die Wand saust. Pikant auch Thomas Stüssi: Er pappt zum einen Ausstülpungen an eine Wand, während aus einem Bodenloch unablässig eine schwarze Sauce sprudelt – Erdöl am Rosenberg, vielleicht eine ironische Alternative zur Geothermie im Sittertobel.
Nachdenken übers Wohnen
37 Künstlerinnen und Künstler hat Leila Bock für eine Intervention in einem der Zimmer des leerstehenden Blocks gewinnen können. Die Ostschweiz dominiert, teils mit renommierten Namen wie Alex Hanimann, Josef Felix Müller, Elisabeth Nembrini, Marlies Pekarek, Teresa Peverelli, Stephan Rohner usw. Daneben sind Gäste aus der Rest-Schweiz und aus Deutschland da. Sie alle haben sich mit Herzblut und gegen minimes Honorar in den Block eingenistet.
Kunst beschäftigt sich hier für einmal mit dem Alltäglichsten der menschlichen Existenz: dem Wohnen. Sie drängt sich vor, wo sie normalerweise nichts zu suchen hat, ins Bad, in die Küche, in die Schlafkammer. Das geht nicht ohne Irritationen ab. So stellt Andrea Vogel ein Bügelbrett in rote Stöckelschuhe und ersetzt das Brett durch einen Spiegel – während das Bügeleisen anzüglich im Schrank versorgt ist. Und Werner Widmer legt mit weissen und braunen Zuckerstücken ein Teppichmuster auf den Küchenboden – betreten erlaubt.
Man kann sich amüsieren und leicht verlieren in den labyrinthisch angelegten, architektonisch noch immer frappierend modernen Wohnungen. Der Block lädt denn auch mit einem reichen Rahmenprogramm zum Wiederkommen ein – an der Eröffnung vom Freitagabend war stellenweise fast kein Durchkommen.
«Kunst gedeiht nur, wenn man die Arbeiten zeigen kann», sagte Leila Bock an der Eröffnungsrede. Und: «Eigentlich wünschte ich mir noch immer eine Jahressausstellung hier in der Stadt. Diese müsste eigentlich genau so aussehen.»
Geiler Block: 19. bis 21. Juni, 26. bis 28. Juni, Programm hier.
Bilder: Katalin Deér