, 14. Mai 2022
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Holzhaus statt Kultur-Konsulat

Man sieht es ihm von aussen nicht an, doch das Bürohaus von Medisuisse, das das ehemalige italienische Konsulat in St.Gallen ersetzt, hat zwar ein betoniertes Kellergeschoss und einen Betonkern. Im Innern aber zeigt das Haus seine Konstruktion und das Holz.

Holzbau mit spannungsreicher Fassade. (Bilder: René Hornung)

Jahrzehntelang war es bekannt als italienisches Konsulat, zuletzt war das Haus an der Frongartenstrasse im St.Galler Bleicheliquartier von Saiten und vielen Kulturschaffenden als «Kulturkonsulat» zwischengenutzt worden. Jetzt, zwei Jahre nach dem Abbruch, ist der Neubau praktisch fertig, Mitte August werden die Mitarbeitenden von Medisuisse vom benachbarten Oberen Graben her hinüberzügeln.

Für 70 Angstellte der AHV-Ausgleichskasse und der Pensionskasse der Ärzte bietet das Haus Platz. Die Hälfte des Erdgeschosses steht aussderm für eine öffentliche Nutzung zur Verfügung. Dies war eine Auflage in der Baubewilligung. Vermietet ist der Raum noch nicht. Und Wohnungen gibt es in diesem Neubau keine.

Selbstbewusst in hochrangiger Architektur-Nachbarschaft

Mit dem Projekt «Plug & Play» hatte das Basler Studio Harry Gugger einen eingeladenen Wettbewerb unter sechs Architekturbüros gewonnen. Der Solitär, als bisher höchster Holzbau der Stadt, nimmt den Fussabdruck des ehemaligen Konsulats auf. Er steht ohne Vorgarten auf der Baulinie des renovierten Nachbarhauses, das dem Katholischen Konfessionsteil gehört.

Auf der Hofseite entspricht das zweigeschossige Volumen dem Anbau des ehemaligen Konsulats. Die Hofterrasse des Neubaus ist aber nicht nutzbar – eine Konzession an Einsprachen aus der Nachbarschaft. Als sechsgeschossiges, turmähnlich wirkendes Gebäude besetzt der Neubau den Platz neben der 2012 fertiggestellten, mehrfach ausgezeichneten Erweiterung des Verwaltungsgebäudes des Kantons, realisiert ebenfalls von einem Basler Architekturbüro, von Jessenvollenweider.

Mit der im Erdgeschoss grauen und ab dem ersten Geschoss grünen, aus gewelltem Faserzement bestehenden Fassade steht der Medisuisse Neubau selbstbewusst im eng bebauten Quartier, ohne aber den Nachbarn zu nahe zu kommen. Gleich hoch wie der gegenüberstehende Neubau von 2019 des Architekturbüros Rüsch & Weh (früher Rüsch & Rechsteiner) mit dem Vermögenszentrum als Hauptnutzerin, bietet auch das neuste Gebäude im Quartier vom obersten Geschoss – mit einer Terrasse auf der Nordseite – den Blick über die Dächer.

Diese Etage ist aber nicht etwa den Chefs vorbehalten, sondern dient der gesamten Belegschaft als Cafeteria und Aufenthaltsraum, wie Kassenleiter Marco Reichmuth festhält.

Planen dauerte länger als Bauen

Nachdem die zwei Untergeschosse mit Garage, der Lift- und Treppenhauskern betoniert waren, entstanden die Etagen dank Vorfabrikation durch Erne Holzbau aus Laufenburg im Wochenrhythmus. «Unsere Planung hat mehr Zeit in Anspruch genommen als der eigentliche Bau», stellt Architekt Harald Schmidt vom Studio Harry Gugger fest. Grosse Bauteile samt Fenstern und Stützen und Bodenelemente wurden mit dem Kran aufeinandergesetzt.

Beheizt wird der Neubau mit Erdsonden. Über den Akkustikdecken sind die Heizungs-/Kühlungs- und Lüftungstechnik montiert. Weil die Geschossdecken aus Holz-/Betonverbund-Platten bestehen, übernehmen sie ihrerseits thermische Funktionen. Doch trotz kontrollierter Lüftung lassen sich im ganzen Haus die Fenster öffnen.

Die Etagen sind teils fest unterteilt, teils flexibel teilbar. Auf der Ostseite des Gebäudes finden sich die Gruppenbüros. Die Holzausstattung und Schafwoll-Teppiche sorgen für ein untypisches Büroambiente. In den Räumen dominiert helles Fichtenholz. Die Trennwände und Türen sind aus Brandschutzgründen aus Eichenholz, einzelne Eingangs- und Balkontüren sind aus statischen Gründen Metallkonstruktionen. Die unterschiedlichen Farben der Hölzer werden sich im Laufe der Jahre angleichen.

Brandschutz: kein Problem

Ein Holzbau dieser Grösse – und grösser – ist dank moderner Technik heute problemlos. Die Brandschutzbestimmungen lassen dies inzwischen auch zu. Beim Medisuisse-Neubau sind die Stützen «auf Abbrand» dimensioniert: Sie würden bei einem Brand zwar aussen angekohlt, aber ihre Tragfähigkeit bewahren. Nur im Erdgeschoss sind auf der Strassenseite die Stützen betoniert, weil hier der nötige Aufprallschutz zu noch massiveren Dimensionen geführt hätte.

Ein anderes grosses Holzbauprojekt in der Stadt St.Gallen ist die Überbauung Waldacker des Zürcher Architekturbüros Oxid (früher Burkhalter Sumi) mit 113 Wohnungen auf Boden der Ortsbürgergemeinde. Die beiden Zeilenbauten sind für ihre nachhaltige Bauweise bereits ausgezeichnet worden. Ein weiteres Holzbauprojekt auf Boden der Ortsbürgergemeinde wird demnächst gestartet: die Überbauung des Areals der Stadtsäge.

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