, 21. Dezember 2020
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Baufieber statt Coronablues

Das Rümpeltum ist in St.Fiden angekommen. Ob der Umzug in einen alten SBB-Schuppen je klapp, war lange ungewiss. Mittlerweile wird fleissig renoviert. Ein Baustellenbesuch.

Das neue Rümpeltum am Rand des Bach-Areals. (Bilder: Tine Edel)

Gegen Mittag lichten sich am Bahnhof St.Fiden die Nebel und ziehen sich Richtung Bodensee zurück, bevor sie sich nächtens wieder über die Gallenstadt legen. Ein aus groben Schwarten genagelter Zaun grenzt den Kiesvorplatz ein, die Front des Holzbaus ist bemalt, beschriftet und mit Transparenten behängt. Es ist die neue Heimat des Rümpeltums, das bis im Shutdownfrühling provisorisch am Magniberg residierte, nachdem es vor zwei Jahren an der Haldenstrasse einem Neubau weichen musste. Am nordöstlichen Zipfel des Bahnhofgeländes steht der alte Löschschuppen der SBB. Behördlicher Arealentwicklung und Gentrifizierung trotzend. Sicherlich für die nächsten paar Jahre.

Der Umzug hierhin war früher geplant, die städtische Liegenschaftenverwaltung hat das seit längerem leerstehende Holzgebäude für eine Zwischennutzung durch das Rümpeltum vorgesehen. Doch die SBB hatten die Wasserleitungen zum Gebäude gekappt. Aus eigener finanzieller Kraft hätten die Rümpler sie nicht wieder instand stellen können. Das hat die Stadt mittlerweile übernommen. Von der Stadtsäge gab es ausserdem einen 2000-Franken-Gutschein. Aber auch so bleibt die Installation der Infrastruktur und die feuerpolizeiliche und lärmschutztechnische Sanierung ein grosser Lupf für den Verein.

Pünktlich zum Pressetermin sitzt das Gros des Betriebsgruppe versammelt im hell verglasten Vorraum auf alten Sofas und dreht Zigaretten. Samuel, Andrea, Till, Seth, Michi, Kaspar, Aliki. Später stossen noch zwei dazu. Hierarchien gibt es seit je höchstens statutarisch. Alle packen mit an bei den Bauarbeiten, die sie mittlerweile seit gut einem Jahr beschäftigen.

Bühne, Bar und Billiardtisch

Die Zwischennutzung am Magniberg, wo dereinst die HSG ihren Innenstadt-Campus errichten will, blieb immer eine Notlösung, muffig, teure Heizung – nicht viel mehr als ein ringhöriger Pavillon. Umbauten hätten sich nicht gelohnt. Allein der Brandschutz wäre unverhältnismässig teuer geworden.

Brandschutz ist auch jetzt ein Thema. An der Front des Gebäudes ist bereits eine Fluchttür eingebaut, mittlerweile aber wieder mit Holz abgedeckt worden, weil die Stadt es doch anders haben wollte. Dutzende Vorschriften müssen eingehalten werden, neue kommen dazu, Missverständnisse da und dort sind vorprogrammiert. Aber grundsätzlich sei der Draht zur Liegenschaftenverwaltung, allgemein zur Stadt, sehr gut, betont die Gruppe.

Noch ist der kulturelle und soziale Freiraum vor allem eine Baustelle.

Beim Rundgang durchs Gebäude wird rasch ersichtlich, dass noch einiges zu tun bleibt, aber auch, was alles schon geleistet wurde. Die Bühne steht, ebenso die Bar. Einige Wandstücke sind bereits gemalt. An einer Aussenwand wurde – leihweise – eine Kletterwand montiert. Die Decke des hinteren Raums, wo Billardtisch und Töggelikasten hinkommen sollen, wurde mit runden Blechteilen abgedeckt. Der Raum steht zum kleineren Teil auf Boden der Bundesbahnen, die dereinst auf die Idee kommen könnten, diesen für ein weiteres Abstellgleis zu beanspruchen. Der Raum müsste diagonal durchtrennt und die Südecke des Gebäudes abgerissen werden. Daran will man jetzt aber nicht denken.

Im oberen Stock, der von innen wie von aussen über eine neu angebrachte, massive Brandschutztreppe zugänglich ist, sind der Backstage-Bereich und ein separates Klo untergebracht. An Seilen hängt eine Schaukel von der Decke. Im zweiten Raum stapeln sich Barhocker und wohl auch einiges an Gerümpel, das irgendwann gebraucht wird, oder auch nicht.

Studio, Werkstatt, Druckatelier

Der Vorplatz grenzt an das Gebiet, auf dem der Verein Areal Bach seine grüne Begegnungszone einrichten will. Den länglichen Schuppen neben dem neuen Rümp teilen sich die beiden Vereine. Das Rümpeltum hat dort ein Musikstudio eingerichtet. Hinzu kommen bald eine öffentlich zugängliche Werkstatt sowie ein Druckereiatelier. Hier sollen Workshops, Bastel-, vielleicht Batikkurse für alle Altersgruppen stattfinden. Neben der Kletterwand entsteht ein kleiner Spielplatz. Das Rümp wird familienfreundlicher.

Kernstück bleibt aber der alternative und konsumzwangbefreite Bar- und Konzertbetrieb. Wann er aufgenommen wird, lässt die Gruppe offen. Sicher nicht mehr in diesem Jahr, finden die einen; erste Hälfte 2021, finden andere. Sicher scheint nichts in diesen Coronatagen. Gewiss ist nur, dass die Vereinsmittel, die in den vergangenen Jahren voraus- schauend angespart wurden, langsam aber sicher dahinschmelzen. Ab Dezember bezahlen sie der Stadt nicht mehr nur die halbe, sondern die volle Miete, nur wenig mehr als damals an der Haldenstrasse. Dafür aber vorerst ohne Aussichten auf Lockerungen der Coronamassnahmen und auf einigermassen lebenserhaltende Einnahmequellen.

Entmutigen lässt sich die Betriebsgruppe davon nicht im Geringsten. Materiellen Fragen gegenüber schon immer einigermassen resilient, sägt, schraubt, hämmert und malt das Kollektiv unbeirrt weiter an einem der letzten kulturellen und sozialen Freiräume der Stadt.

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