, 8. Juli 2021
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Rutishausers tönender «Schramm»

Harte Schale, tönendes-schepperndes-knarrendes Inneres: Das ist Schramm, der «Tontainer» des St.Galler Musikers Roman Rutishauser. Bis Oktober ist er auf Tournee quer durch die Ostschweiz. Momentan bringt ihn das Publikum auf dem Dorfplatz Trogen zum Klingen. Von Bettina Kugler

Roman Rutishauser am Eingang zum «Schramm». (Bilder: Su.)

Blau wie der Ozean ist der Container, den Roman Rutishauser, Musiker, Objektkünstler und «Klangwart», während der letzten Wochen für eine Sommer- und Herbstreise durch die Ostschweiz startklar gemacht hat. Das Spielmobil, halb Klanginstallation, halb kreatives Treibhaus und offene Bühne, heisst Schramm, der «Tontainer».

Regenrohr und Flügelinnereien

Der Name passt, weil Schramm in seinen Jahren auf hoher See etliche Schrammen eingefangen hat. Aber auch, weil er wie geschaffen dafür ist, an ihm herumzuschrammeln, an seiner blauen Aussenhaut und im Inneren zu kratzen, zu trommeln und zu streicheln; Klang, Schwingungen, Geklimper und Geräusche zu erzeugen, zarte wie ruppige. Und weil Schramm ein ideales Gehäuse bietet für «Grümpel» aller Art, zum Wegwerfen zu schade – wenn sich doch stattdessen spontan Jam Sessions und Zufallssinfonien damit improvisieren lassen.

Schramm auf dem Dorfplatz Trogen.

Da ist die mit Pingpongbällen gefüllte Zinkgiesskanne. Da sind Bialetti-Espressokocher in verschiedenen Grössen, wie Orgelpfeifen aufgereiht. Echte Orgelpfeifen, samt Beatmungsgerät. Eine dicke Stahlsaite, in Kopfhöhe quer durch den Container gespannt, dazu ausrangierte Geigen- und Cellobögen. Die Innereien eines Flügels, auf denen man Harfe spielen kann, oder abwechselnd tasten und tippen – an einer Klaviatur, an einer alten Schreibmaschine. Ein Rohr zum Regenmachen. Und grosse, dicke Trommelschlägel, die dem Tontainer sanftes Donnergrollen entlocken. «Falsch» oder «richtig», wie sonst beim Musizieren leider viel zu oft, gibt es hier nicht.

Eine Stippvisite am ersten Standort der Tournee, Mitte Juni in St. Gallen, zeigte, dass die Rechnung aufgeht. Wobei Roman Rutishauser grundsätzlich nicht berechnend plant und baut: Er hat es eher mit dem Zufall, freut sich auf das, was sich ergibt.

Heiss wie im Treibhaus war es von allein, schon draussen, zwischen Lattich-Areal und Grossbaustelle an den Gleisen des St.Galler Güterbahnhofs. Erst recht ein paar Stufen höher, im Container. Nicht schlimm – die zwei jungen Frauen, die sich am späten Nachmittag neugierig ins Vergnügen stürzten, vergassen gleich die Zeit und spielten ohne Eile, mit kindlicher Lust am Ausprobieren. Irgendwann kletterte Roman Rutishauser die kleine Hängeleiter an der hinteren Schmalseite hinauf, setzte sich an den in blaues Licht getauchten schwebenden Flügel, mischte sich dezent und inspirierend ein.

Der Flügel stand schon, Wind und Wetter ausgesetzt, auf seinem roten «Container für Unerhörtes», er war zu Wasser, hing in der Luft. Entsprechend angerostet sind die Saiten – und damit obertonreicher. Ein besonderer Klang, eine eigensinnige Stimmung. Auch die Pingpongbälle sind alte Bekannte, für Roman Rutishauser Inbegriff von Lebensfreude, Energie, die aufwärts springt.

Getönt hat Schramm schon in der Aufbauphase, in kühlen, regnerischen Frühlingswochen: Da prasselte der Regen lautstark aufs Dach. «Es war ein ohrenbetäubender Lärm», sagt Rutishauser und lacht zufrieden wie ein kleiner Bub. Die kindliche Lust am Machen und Geschehenlassen, am Spielen im elementaren Sinne, teilt er hier mit Fremden und Bekannten.

Mit Schramm fährt Rutishauser jetzt, wie ein Klangzirkus, durch die Region: Per Lastwagen kommt der Tontainer ohne grossen Ab- und Aufbau von A nach B.

Erste Station war eine Schulanlage in Wil – wo der klingende Spiel-Platz von den Kindern regelrecht gestürmt worden sei, wie Rutishauser erzählt. Aktuell, seit Montag steht Schramm für zwei Wochen auf dem Trogner Landsgemeindeplatz, danach folgen der Zeughausplatz in Teufen, der Bahnhofplatz Flawil und weitere Stationen in Stein, Altstätten und St.Margrethen. Bis Schramm im November wieder in den Heimathafen Lattich einfährt.

Dieser Beitrag erschien im Sommerheft von Saiten.

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