, 5. September 2019
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Der DJ mit den gefrorenen Schallplatten

Klangkunst in der Natur: Noch bis Sonntag zeigen in Gais am «Klang Moor Schopfe»-Festival Künstlerinnen und Künstler ihre Klanginstallationen. Musikalisch steht ein elektronisches Wochenende mit verschiedenen Live-Acts und Turntable-Performances auf dem Programm.

Schopf im Regen. (Bild: Philipp Bürkler)

Der chilenische Performance-Künstler Daniel Reyes León ist kein gewöhnlicher DJ. Als Instrument benutzt er zwar zwei Turntables und einen Mixer, wie so üblich für einen DJ. Hier enden die Gemeinsamkeiten auch schon. Seine Schallplatten sind nämlich nicht aus schwarzem Vinyl, sondern aus weissem Eis.

«Es ist gefrorenes Wasser, das ich aus einem See in der chilenischen Atacama-Wüste mitgenommen habe», klärt León. Mit seiner Performance macht er auf die Wasserknappheit in der Wüste aufmerksam.

Auf seine Do-It-Yourself-Eisplatten hat León Johann Sebastian Bachs «Wohltemperiertes Klavier» aus dem 18. Jahrhundert gepresst. Für die Herstellung wendete er das gleiche Verfahren an, wie es beispielsweise Kunstgiesser für Bronzeskulpturen tun. «Ich habe eine echte Bach-Schallplatte mit flüssigem Latex übergossen, die mir dann als Negativform für die Plattenrillen der Eisplatten diente.» In die elastische Latexform leerte er schlussendlich das kostbare Wasser aus der Wüste. Nach einiger Zeit im Tiefkühler ist die Platte auch schon «frischgepresst» und spielbereit.

«Wohltemperiertes Klavier» auf Eis: Der chilenische Künstler Daniel Leon legt Eis-Platten aus gefrorenem Atacama-Wasser auf.

Hochmoor und Atmosphäre wirken inspirierend

Während León den rauschenden Bach auf seinen Plattentellern drehen liess, begleitete ihn die mit ihm befreundete Künstlerin Luisa Lemgruber aus Brasilien an einem Sampler. Lemgruber manipulierte parallel den Sound, den die Tropfen eines langsam schmelzenden und im Raum hängenden Eisklotzes aus Atacama-Wasser generierten, die in eine Glasschüssel fielen. Kommenden Sonntag nimmt León seine «Freezing Records» übrigens nochmals aus der Tiefkühltruhe und zeigt eine weitere Performance am «Klang Moor Schopfe» in Gais.

«Klang Moor Schopfe» ist nicht nur eines der innovativsten Audiokunst-Festivals, sondern auch ein Ort, der intensiv auf die Künstlerinnen und Künstler wirkt. Alle schwärmen von der guten Atmosphäre am Festival und der einmaligen Landschaft, die zusätzlich inspirierend wirkt.

Die meisten Kunstschaffenden haben sich für ihre Installationen in einem der zwölf Schöpfe von der Umgebung anregen lassen. Ausserdem schafft die Zeit, die Kunstschaffenden während zehn Tagen in Gais gemeinsam verbringen, sowie der soziale Austausch Raum für weitere Projekte und Kollaborationen.

Elektronische Live-Sets und Performances runden Festival ab

Zu einer spontanen Kollaboration kommt es bereits am Samstag, wenn die Genfer Elektronic-Performerin Julie Semoroz und die brasilianische Klangkünstlerin Luisa Lemgruber gemeinsam ein Konzert geben, obwohl sie beide als Solokünstlerinnen auf dem Programm gelistet sind. Die beiden haben sich erst während des Festivals in Gais kennengelernt.

Musikalisch spannend wird auch der Freitagabend. Festivalleiter Patrick Kessler hat den legendären Genfer «Club 12» nach Gais geladen und den Künstlern eine Carte Blanche gegeben. Auf der Bühne stehen die beiden Electronic-Duos «Left Bank» und «Office de pute» sowie der Solokünstler Dennis Rollet. Sie gestalten gemeinsam die grosse Clubnacht im Schützenhaus.

Die brasilianische Klangkünstlerin Luisa Lemgruber bearbeitet Atacama-Eis mit Feuer und einem Sampler.

Am Samstag gibt es neben verschiedenen Podiumsdiskussionen, beispielsweise mit Ludwig Berger über die akustische Kommunikation von Bienen oder mit Daniel Reyes León, Luisa Lemgruber und Benjamin Muzzin über das Wasserprojekt Atacama X Amazon X Alps, das die Wasserknappheit im Amazonas, in der Atacama-Wüste und den Schweizer Alpen thematisiert, vor allem diverse Live-Acts.

Unter anderem angesagt ist einer der seltenen Auftritte des Westschweizer Künstlers Dimitri de Perrot, der eine Turntable-Performance zeigt. Nachdem «Klang Moor Schopfe» vor einer Woche von der dänischen Saxophonistin Mette Rasmussen musikalisch eröffnet wurde, schliesst sich am Sonntag der Kreis mit dem schwedischen Saxophonisten Mats Gustafsson. Gustafsson, einer der innovativsten Künstler im Bereich zeitgenössischer Musik und Leiter mehrerer Orchester und Jazz-Formationen, wird das diesjährige Festival mit einer Soloshow «ausblasen».

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