, 22. April 2019
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Sinfonie mit Beckenschlag: «giltig!»

Zum Auftakt seiner Tournee zum 50-Jahr-Jubiläum punktete das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester in der St.Galler Tonhalle gleich in zwei Klassen: In der Kategorie Leichtgewicht mit Mozarts Flötenkonzert G-Dur KV 313, in der Schwergewichtsklasse mit Anton Bruckners Sinfonie Nr. 7.

1969 fand in St. Moritz ein internationales Jugendorchester-Festival statt. Dieser Anlass brachte zwei musikbegeisterte Teenager auf die Idee, auch in der Schweiz ein sinfonisches Jugendorchester zu gründen. Zwei Jahre später ist es soweit, im Hotel Laudinella gibt das SJSO sein erstes Konzert. Unter der heutigen Leitung von Kai Bumann hat sich das Orchester längst einen ausgezeichneten Namen erschaffen, bietet jungen Musikern einen Erfahrungsraum im Erarbeiten von sinfonischer Literatur und ist auch Talentschmiede.

Charmant und gefällig

Beispielhaft ist die Karriere von Dieter Flury, vom Orchestermitglied der ersten Stunde wurde er später zum Soloflötisten der Wiener Philharmoniker berufen. Ein höchst emotionaler Moment also, ihn als Solisten für Mozarts Flötenkonzert zu gewinnen, und eine sinnige Rückkehr zu den Anfängen.

Die Briefe Mozarts belegen es, er mochte die Querflöte nicht besonders. Und so ist auch der Katalog der für dieses Soloinstrument geschriebenen Werke mit zwei Konzerten äusserst schmal. Das dreisätzige G-Dur-Konzert gibt in den Ecksätzen reichlich Platz für Virtuosität, im Mittelsatz für Kantabilität. Frisch und mit aufgehelltem Klang musizierten Flury und das Orchester auf. Ein solides Stück Unterhaltungsmusik.

Beliebte Sinfonie

Von allen Sinfonien Anton Bruckners ist die Siebte die meistaufgeführte. Nachweislich wurde sie schon zu Lebzeiten des Komponisten dreiunddreissig Mal aufgeführt. Das ist aussergewöhnlich. Ausserdem hat diese Partitur keine Eingriffe und Streichungen erfahren müssen, weder von Seiten des Komponisten selber noch von dessen wohlmeinenden, vermeintlich besserwissenden Dirigenten.

Wären da nicht die ewigen legendenbildenden Programmbeschreibungen! Klar, die Nachricht vom Tod Richard Wagners, den Bruckner devot verehrte, hinterliess im Adagio ihre eindrückliche Spur. Und dass Bruckner seine Sinfonie dem Wagner verfallenen «Märchenkönig» Ludwig II. von Bayern widmete, hat auch etwas Markiges. Auch den Parsifal hat Bruckner während der Komposition der Siebten in Bayreuth gehört. Eine sinfonische «Riesenschlange», ein «Werk eines von zwanzig Tristan-Proben überreizten Orchestermusikers»? Nein! Bruckner nimmt viel Wagner-Klang auf und macht es anders.

Langsamkeit als Schlüssel

Die Aufführung unter der Leitung von Kai Bumann brachte die Bruckner’sche Sinfonik durch Achtsamkeit zum Blühen. Dass der Dirigent den vier Sätzen ein moderates Grundtempo unterlegte, kam dem entgegen. Eine Ohrenfreude also, in den Orchesterklang abzutauchen. In allen Registern konnte das Jugend-Sinfonie-Orchester überzeugen: wunderbare Streicher, magisches Holz, das mit Wagner-Tuben erweiterte Blech ohne Trübungen.

Einzig die Themen in Scherzo und Finale, mit den für Bruckner so typischen doppelten Punktationen könnte man sich stärker akzentuiert, geschärfter vorstellen. Die Tendenz zur einfachen Punktation ist wohl dem Dirigat geschuldet. Das führte gelegentlich zu einem verwischten Klangbild und im Scherzo zu kurzen Wackelmomenten.

Und dann gibts ja noch den heissdiskutierten Beckenschlag auf dem Kulminationspunkt des feierlichen Adagios. Trotz ungeklärter Autorschaft: an diesem Abend kam er. Anzunehmen, dass Bruckner unter diese Aufführung «giltig» schreiben würde.

Schon für den Juli ist eine weitere Aufführung der siebten Sinfonie auf dem Spielplan: «Musik für Kathedralen?» mit dem Sinfonieorchester St. Gallen. Einen Vergleich jedenfalls braucht das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester nicht zu fürchten.

 

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