, 20. Mai 2013
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Eine Spektakel-Gesellschaft

Am Wochenende ging die zweite Ausgabe des Strassenkunst-Festivals «Aufgetischt» über die Bühnen. Das Booking ist auch heuer gelungen, das Management unverändert etwas weniger.

Wer das Buskers-Fest aus Bern kennt, weiss: Da geht die Post ab. Wunderbare Stimmung, überfüllte Altstadt, und an jeder Ecke Musik, Akrobatik und vieles mehr. Dieses Szenario nach hier zu importieren, ist eine löbliche Initiative, jedoch nicht ganz so einfach, wie es aussieht.
Leute, die sonst nicht mal den Kopf drehen würden bei Strassenkunst, kommen plötzlich angereist, sobald die Geschichte mit Spektakel angeschrieben steht. Dann weiss man ja, wie man sich verhalten muss. Ein eifriger Griller in der Marktgasse will uns aus diesem Anlass seine exotische Herkunft wissen lassen, Schweizerkreuz auf dem Bauch, am Wagen, auf dem Wagen, da kriegt man richtig Hunger.

Freitags sah es erst nach einem Reinfall aus. Das Wetter arschkalt, die Zuschauer nicht so zahlreich und die Künstler mit entsprechend wenig Hutgeld. Um das Strassenkunst-Spektakel möglichst authentisch wirken zu lassen, steht neben jeder Bühne ein pädagogisches Plakat, das erklärt, man solle die Darbietung mit Hutgeld honorieren, da die Künstler sonst nichts kriegen würden. Aber hallo?
Ein wacher Zuschauer findet Worte dafür: «Das ist Ausnützung einer Notlage!», und «Hanebüchen!», schliesslich weiss er, dass Gaukler elendig viel arbeiten für ihre Kunst. Die Artisten unterschreiben einen Vertrag, und das Wetterrisiko tragen sie auf ihren eigenen Schultern. Eine gewisse Schizophrenie ist das schon: 363 Tage im Jahr ist es verboten, für Hutgeld Kunst anzubieten, dafür braucht man eine kostenpflichtige Bewilligung, und davon gibt es täglich nur fünf. Bern löst das eleganter: Man kann spontan auftreten, mit der einzigen Auflage, dass man nach dreissig Minuten den Standort wechseln muss, falls ein Ladenbesitzer reklamieren würde. Schliesslich ist eine Stadt auch Lebensraum und nicht nur Verkaufsfläche (geschweige denn Parkhaus oder Autobahn). Mit der Berner Lösung ist allen geholfen …

Ein St.Galler Strassenmusiker hat beide Jahre versucht, mit seiner Band am «Aufgetischt» zu spielen, wurde aber abgelehnt. So authentisch will mans dann doch wieder nicht. Das hiesige Strassenkunst-Festival ist eine militärisch durchorganisierte Kopfgeburt von Kulturmanagern, die versuchen, mit den chaotischen Elementen der Gesellschaft Geld zu verdienen – bezahlen tun sie aber ziemlich freisinnig …

Schöner war das Wetter am Samstag, man wünscht sich für die hervorragenden Acts, dass sie angemessen wertgeschätzt wurden. Eine dritte Auflage des Festivals wäre zu begrüssen, eine bescheidene Gage oder nur schon eine Garantie wäre aber das Minimum an Respekt diesen Gästen gegenüber, welche die Altstadt für zwei Tage in einen erfreulicheren Ort verwandeln. Und wenn dazwischen ein Punk mit Mundharmonika ein paar Biere zu verdienen versucht, stören würds jedenfalls nicht.

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