, 5. Oktober 2017
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Werkplatz für Robinson & Co.

Die Kinder nageln und hämmern mit an der Erfolgsgeschichte: Seit zwei Jahren gibt es in St.Gallen das Quartierprojekt Brache Lachen, zwar bloss als Zwischennutzung, aber nachhaltig. Am Freitag schliesst ein Fest die Saison ab.

Die Brache ist ein Kindertraum. Buntbemalte selbstgezimmerte Hütten, Bretter und Hölzer aller Art zum Weiterbauen, wuchernde Gartenbeete samt Werkzeug, Bäume zum Klettern und Verstecken, in der Mitte ein Planwagen. «Willkommen», steht beim Eingang in bunten Buchstaben, und das gilt: «Hier sind alle willkommen», sagt Kathrin Rieser, eine der Initiantinnen der Brache im Lachenquartier.

Kinder von 4 bis 12 Jahren können hier in ihrer Freizeit jeweils samstags hämmern und werken. An diesem Nachmittag, dem Auftakt zur Ferienwoche, hat Spirulina Zimmermann den Tarif durchgegeben, was man auf der Brache machen kann: Hütten winterfest machen, ein Insektenhotel bauen, kleine Holzhäuser zimmern für die noch obdachlose Donatella Tannzapfen und andere gebastelte Tiere; man kann Bilder malen oder Zvieri zubereiten.

Werk- und Spielplatz

Spirulina ist eine Riesenspinne mit schwarzen, respekteinflössenden haarigen Beinen. Ihre Geschichte, erzählt von Kathrin Rieser, gibt den Rahmen ab für das Tun der Kinder. Als sie etwas gar penetrant dazu aufruft, ihr zu helfen bei all den Arbeiten, die es zu tun gebe vor dem Winter, ruft ein Bub protestierend in die Runde: «Ausbeutung», «Kinderarbeit»! Die Kids von heute kennen die Welt von heute…. Dann packt der Protestler aber doch sofort an mit Säge und Hammer.

Es ist die letzte Woche der Saison, bevor die Brache Lachen an diesem Freitag mit einem Quartierfest ihre Türe schliesst. 2016 war das Areal eröffnet worden, als Zwischennutzung für die nächsten paar Jahre, bis die Stadt geklärt hat, was hier entstehen soll. Der Verein tiRumpel, der nahegelegene Kindertreff, war nach der städtischen Anfrage rasch mit im Boot, denn «schon längere Zeit brannte uns die Idee einer Art Robinson-Spielplatz und eines generationenübergreifenden Projekts unter den Nägeln», wie auf der Website der Brache Lachen zu lesen ist. Zusammen mit dem Hilfswerk Heks und dessen Flüchtlingsprojekt Neue Gärten, mit «Gartenkind» von Bioterra und mit der Valida gründete der Verein tiRumpel eine IG, die seither Leben auf die rund 1000 Quadratmeter an der Sömmerlistrasse bringt.

Die Brache ist eine Erfolgsgeschichte. Neben den Angeboten für Kinder gibt es Begegnungsanlässe für alle Menschen im Quartier und Feste. Dabei gelte für die Kinder wie auch für die teilnehmenden Erwachsenen: Selber anpacken und Verantwortung übernehmen ist erwünscht. Auf der Brache soll keine «Konsumhaltung» herrschen, sondern Gemeinschaft gelebt werden, sagen Kathrin Rieser und ihr Kollege in der tiRumpel-Leitung, Peter Olibet.

Das funktioniere bemerkenswert gut – was nicht selbstverständlich ist bei den vielen Nationalitäten und Emotionen, die hier zusammenkommen. Auch an diesem Feriennachmittag: Mitten aus der friedlichen Werkerei heraus geraten sich drei Buben über einem Brett, das sie alle drei dringend brauchen, kurz in die Haare – und lösen den Streit dann auf eigene Faust und kreative Art. «Auf der Brache können sich die Dinge entwickeln, die Kinder können ihre Spuren hinterlassen», sagt Kathrin Rieser. «Und über die Kinder kommen auch Eltern und andere Erwachsene hier zusammen, die man sonst weniger gut erreichen würde».

«Zinken gegen unten»

2016 ging es los, 2017 konnte das Angebot ausgebaut werden, unter anderem dank Mitteln aus dem Jubiläumsfonds der Kantonalbank, die die Brache zu einem ihrer Förderprojekte erkoren hatte. Kurse in Yoga, Kreistanzen und andere Aktivitäten für Kinder und Erwachsene fanden statt, Mittagstische wurden eingerichtet und Konzerte organisiert. Kathrin Rieser schwebt «eine Art kleines GZ» vor, ein Zentrum für alle im Quartier, ein Ort der Begegnung und der Vernetzung zwischen Schule, Nachbarn, ausländischer und einheimischer Bevölkerung. «Wir haben das Privileg, dass wir keine Rendite erzielen müssen» – so könne hier ohne Druck ausprobiert werden, was sich bewährt und was weniger.

Schlussfest mit Café Deseado
Freitag, 6. Oktober, 18-22 Uhr
Brache Lachen

Dafür braucht es, bei allem Freiraum, Regeln. Einige davon zählt ein Zettel beim Anschlagbrett auf mit dem Titel «Gartenkind-Regeln». Praktisches steht da wie «Werkzeug reinigen» oder «Zinken gegen unten zum Boden, nie rennen» – aber auch: «Fair zueinander sein». Für letzteres bietet die Brache, soweit dies von aussen einzuschätzen ist, eine ideale Spielwiese: mit hoher Toleranz, aber auch mit klaren und gelebten Werten, allen voran: Respekt. Sie ist in diesem Sinn alles andere als Brachland, sondern Humus für das Ziel, das auf einem anderen Plakätchen geschrieben steht: «Farbe bekennen für eine menschliche Schweiz».

 

 

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