, 26. August 2016
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UMA in der Ostschweiz: Grosse Unterschiede

Unbegleitete minderjährige Asylsuchende sind im Thurgau und in den beiden Appenzell gut aufgehoben. Jedoch hapert es zur Zeit im Kanton St.Gallen.

Unterricht im Thurhof Oberbüren. (Bild: Screenshot SRF)

Die Stiftung Peregrina, die sich im Auftrag des Kantons Thurgau um Asylsuchende und Durchgangsheime kümmert, unterhält in Frauenfeld die UMA-Schule und das UMA-Haus. Zur Zeit sind 56 unbegleitete minderjährige Asylsuchende in ihrer Obhut. Die meisten sind zwischen 16 und 18 Jahre alt, drei davon unter 15. Von den UMA im Thurgau, ausschliesslich junge Männer, gehen 30 in die UMA-Schule, 23 in die öffentliche Schule und drei machen ein Berufspraktikum. Die meisten stammen aus Eritrea und Afghanistan. Sie wohnen in zwei Durchgangsheimen, und jene, die etwas mehr Betreuung brauchen, sind im UMA-Haus untergebracht. Dort schaut neben den MitarbeiterInnen der Peregrina-Stiftung auch eine Flüchtlingsfamilie zu ihnen.

Schule und Arbeit im Wald

«In drei Fällen brachten wir UMA in Pflegefamilien unter», sagt Beat Keller von der Stiftung. «Zwei dieser Versuche sind ziemlich schnell gescheitert. Einer dauerte ein Jahr lang. Die Schweizer Pflegefamilien waren mit den Betreungsaufgaben überfordert.»

Wöchentlich besuchen die Jugendlichen 26 Lektion an der UMA-Schule, die weitgehend den Lernstoff der Regelschule abdeckt. Besonderes Gewicht wird auf den Deutschunterricht und Mathematik gelegt. Der Bildungsstand der UMA ist sehr unterschiedlich. Einige haben, bevor sie in die Schweiz kamen, nie oder nur sporadisch eine Schule besucht. Ziel ist es, die Jugendlichen so weit zu bringen, dass sie entweder eine weiterführende Schule besuchen oder eine Berufsausbildung beginnen können. Bis zum 20. Altersjahr gelten sie als UMA, sofern kein Familiennachzug erfolgt. So lange bleiben die jungen Menschen auch im Ausbildungsprogramm. Schule schwänzen wird mit einem Abzug beim Taschengeld sanktioniert.

In der Freizeit sind die jungen Leute in Beschäftigungsgruppen aktiv und arbeiten vor allem im Wald im Rahmen von Naturschutzprojekten. In der Stunde erhalten sie dafür drei Franken zur Aufbesserung ihres Taschengeldes. Laut Keller machen viele UMA gute Fortschritte und sind vor allem auch in Sportvereinen sehr aktiv.

UMA im Fokus des Netzwerktreffens

Am Dienstag haben sich 170 Vertreterinnen und Vertreter von Bildungsinstitutionen, politischen Gemeinden, Sozialdiensten, Migrationsorganisationen sowie Fach- und Beratungsstellen des Kantons Thurgau am 6. Netzwerktreffen in Weinfelden mit dem Thema «Asyl und Migration» auseinandergesetzt. Dabei ging es um die Integration von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Im Fokus standen die UMA.

Die unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden sind erst in den letzten Jahren unter den Flüchtlingen und Migranten in Erscheinung getreten. Laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) machten sie 2013 mit 346 Personen lediglich 1,61 Prozent der Asylsuchenden aus. 2014 waren es 795 Personen (3,34 Prozent) und im Jahr darauf 2’736 Personen (6,92 Prozent). Das SEM rechnet mit einer exponentiellen Zunahme der Zahl der minderjährigen Asylsuchenden. Im vergangenen Jahr waren rund zwei Drittel zwischen 16 und 17 Jahre alt. Der Anteil der Mädchen unter den UMA betrug 2015 rund 18 Prozent.

UMA im Kinderdorf Pestalozzi

Die den beiden Appenzell vom Bund zugeteilten UMA werden im Kinderdorf Pestalozzi in Trogen vom Verein Tipiti betreut und beschult. Es stehen 30 Plätze zur Verfügung. Die Integration erfolgt nach einem Drei-Phasen-Modell. Kinder ab 14 besuchen die interne Schule und erhalten pro Woche 15 Deutsch-Lektionen. Sie sind in Wohngruppen untergebracht, die 24 Stunden betreut werden. Lernziel ist ein geordnetes Zusammenleben.

Sind die jungen Menschen integriert und mit dem Schweizerdeutsch vertraut, erhalten sie ein Taschengeld und können damit selbständig einkaufen gehen. Eine der Wohngruppen ist ausserhalb des Kinderdorfes angesiedelt. Für die UMA stehen sechs Betreuerinnen und Betreuer zur Verfügung. Jeder UMA hat so auch eine eigene Bezugsperson.

UMA-Chaos im Kanton St. Gallen

Durch die Aufgabenteilung zwischen dem Kanton St. Gallen und der Vereinigung der St. Galler Gemeindepräsidenten (VSGP) im Asylbereich ist die Situation um die Betreuung der UMA derzeit stark verunsichert.

Bis vor einem Jahr standen im Zentrum Thurhof in Oberbüren lediglich 27 Plätze für UMA zur Verfügung. Die asylsuchenden Familien im Zentrum wurden dann auslogiert, und auf die 145 Plätze sind nun UMA im Alter von zwölfeinhalb bis achtzehn Jahren verteilt worden. Wie Recherchen von Saiten ergeben, führt das zu einer Überforderung aller Beteiligten und bewirkt deshalb auch grosse Spannungen und eine qualitative Abwertung der Integrationsbemühungen.

Maximal lassen sich höchstens 50 UMA in einem Zentrum betreuen, wenn die Arbeit sowohl in einem menschlich vernünftigen Rahmen als auch auf qualitativ vertretbare Weise ablaufen soll. Die jungen Menschen sind stark gefordert: Sie müssen Deutsch lernen und ein vier- bis viereinhalbjähriges Integrationsprogramm mit Schule und Berufsausbildung bewältigen. Derzeit gibt es im Thurhof 55 Mitarbeitende mit Voll- oder Teilzeitpensum.

Die Verantwortung für den Thurhof übernimmt auf den 1. Januar 2017 der VSGP. Die Aufgabenteilung zwischen dem Kanton und den Gemeinden ist noch nicht definitiv geregelt. Es liegt auch kein Konzept vor, wie es danach mit der UMA-Betreuung weitergehen soll.

Kantonszuteilung ist eine Lotterie

Nicht nur in der Ostschweiz, sonder auch in anderen Landesteilen herrschen bei der Unterbringung, der Betreuung und Ausbildung der UMA grosse Unterschiede. In einer Empfehlung hat der UNO-Kinderrechtsausschuss anfangs 2015 diese Differenzen kritisiert und bemängelt, dass es für Kinder und Jugendliche auf der Flucht Glücksache sei, welchem Kanton sie zugeteilt und welche Bedingungen sie dort antreffen würden.

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