, 2. April 2013
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Stürmer aus Nordkorea

Der Nordkoreaner Chol Min Rim spielt seit dem Winter für den SC Brühl. Sein Aufpasser musste ausreisen.

Noch hat Chol Min Rim nicht überzeugt. Er ist zwar gross (1.88 Meter), verliert aber fast alle Kopfballduelle. Er hat eine gute Technik, kann sich aber kaum durchsetzen. Als Stürmer wirkt er nicht torgefährlich. Generell fehlt ihm die Bindung zu seinen Mitspielern.

Das tönt alles nicht sehr gut, ist aber mehr oder weniger normal: Chol Min Rim wechselte erst in der Winterpause vom FC Wil zu Brühl, war zuvor lange verletzt und soll nun gleich den erfolgreichen Sabanovic (17 Einsätze, 11 Tore) ersetzen. Anlaufschwierigkeiten sind da keine Überraschung.

Nur: Wie kommt es, dass ein Fussballer (angeblich sogar U-23-Nationalspieler) aus dem Nordkorea von Kim Jong Un beim St.Galler Stadtklub landete?

Hier die Geschichte aus der wunderbaren Welt des Fussballgeschäfts im Kurzraffer: Karl Messerli aus Basel, Produzent von Plüschtieren, ehemaliger Fussballer von GC und FCB, sicherte sich 2008 die Transferrechte für Fussballer aus Nordkorea. Er nutzte dafür Geschäftskontakte: In Pjöngjang lässt er seine in China vorproduzierten Stofftiere zusammennähen. Deutschen Zeitungen schildert Messerli seinen Einfluss in der Militärdikatur folgendermassen: «Wenn ich sage, ich möchte die U20-Nationalmannschaft gegen die U21 spielen sehen, dann wird mir diese Begegnung organisiert».

Zusammen mit Stephan Glaser, dem damaligen Präsidenten von Concordia Basel, will Messerli die jungen Nordkoreaner gross herausbringen – und dabei auch etwas Geld verdienen. Der Plan ist nicht schlecht ausgedacht: «Die Brasilianer Asiens» (O-Ton Messerli) sollen sich bei unterklassigen Klubs akklimatisieren, um dann den Sprung in die Spitzenligen zu schaffen. Weil sich Nordkorea für die WM 2010 in Südafrika qualifiziert hatte, gibt es dafür ein perfektes Schaufenster.

Der Zwischenstand zeigt: Irgendwie ist alles schwieriger als gedacht.

Die ersten beiden Nordkoreaner wurden 2008 über die von Glaser gegründete Firma F.O.K. AG (Friends of Korea) zum Challenge League-Klub Concordia transferiert. Der eine bekam schnell Heimweh und reiste wieder ab.

2009 musste Concordia wegen einer fehlenden Spielstätte in die zweite Liga absteigen. Als neue Basis für das Geschäftsmodell empfahl sich der FC Wil, der inzwischen vier Nordkoreaner verpflichtet hat. Der grosse Coup schien nahe, als der FCB im Sommer 2011 den Stürmer Kwang Ryong Pak von Wil verpflichtete, um ihn «hinter Streller und Frei aufzubauen» (FCB-Sprecher Zindel). Inzwischen hat der FCB dafür Bobadilla vorgesehen und der unbestritten talentierte Pak wurde an die konkursite AC Bellinzona ausgeliehen.

Im bisher absurdesten Teil der Geschichte geht es um den von Nordkorea für die Spieler abgestellten Betreuer/Aufpasser/Dolmetscher: Einem Fifa-Schiedsrichter und nordkoreanischen Staatsangestellten. Nach einem Bericht der «NZZ am Sonntag» wurde er angeklagt, in Wil eine sehbehinderte Frau vergewaltigt haben. Er ist bereits verurteilt (sechs Monate Gefängnis bedingt) und hat die Schweiz verlassen. Ersatz ist noch nicht eingetroffen.

Und was bedeutet das alles für Chol Min Rim?

Noch ist alles möglich. Er ist erst 23-jährig, die Integration fällt auch Spielern schwer, die nicht aus Nordkorea stammen. Beim SC Brühl verlässt man sich vorerst auf die positiven Einschätzungen aus Wil und wird ihm weiter Zeit geben.

Das nächste Heimspiel findet am 10.April gegen Yverdon statt.

 

1 Kommentar zu Stürmer aus Nordkorea

  • Etrit sagt:

    Geile Story. Nur eine Präzisierung: Concordia musste nicht absteigen. Tatsächlich reichte Präsident Glaser der Basler Kantonsregierung ein grössenwahnsinniges Stadionprojekt (ausgearbeitet vom uns wohl bekannten Generalunternehmergigantej HRS) mit Platz für 20’000 Zuschauer – Concordia hatte zu dem Zeitpunkt einen Zuschauerschnitt von ein paar hundert und das Stadion war kurz zuvor renoviert worden. Nachdem Glaser von der Kantonsregierung eine sehr belächelnde, abschlägige Antwort erhielt, versuchte er es mit der Drohung, der Verein könne den Spielbetrieb ohne ein neues Stadion nicht aufrechterhalten – was bei einem Verein, dessen Haupteinnahmequelle das Catering im Joggeli beim FC Basel ist, nicht glaubwürdig klingt. Als der Kanton auf diesen Erpressungsversuch nicht einstieg, nahm Glaser den Verein freiwillig aus der Challenge League und dieser stieg ab – Konsequenz des Grössenwahns seines Präsidenten, nicht der Mängel der Spielstätte.

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