, 3. März 2016
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«Ich bin nicht 08/15»

Martin Sailer (44) aus dem Toggenburg ist als einziger Parteiloser ins St.Galler Kantonsparlament gewählt worden. Seit zehn Jahren betreibt der gelernte Primarschullehrer das Kleintheater Zeltainer in Unterwasser. Der Sparkurs gefährde weniger die Kleinen als die «grossen Kulturbrocken», befürchtet er.

Saiten: Im St.Galler Kantonsparlament hat mit insgesamt neun Sitzgewinnen durch die SVP (6) und die FDP (3) ein deutlicher Rechtsrutsch stattgefunden. Wird es in der St.Galler Politik jetzt schwieriger für Kulturanliegen, und wo wird es vor allem Probleme geben?

Martin Sailer: Es ist möglich, dass es für die Kultur im neuen Parlament schwieriger wird, vor allem wenn es um die Unterstützung von Projekten geht, die man gemeinhin als grössere Brocken betrachten muss. Ich habe aber wenig Bedenken, dass auch Einrichtungen wie Kleintheater davon betroffen sein werden und beispielsweise ein jährlicher Betriebsbeitrag des Kantons in der Höhe von 10’000 Franken künftig gestrichen wird.

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Martin Sailer (Bild: facebook)

Sie sind als Parteiloser auf der SP-Liste gewählt worden. Hat Sie das überrascht, und wer ist Ihre Wählerschaft?

Die Wahl hat mich wirklich total überrascht. Ich habe schon angenommen, dass ich Stimmen erhalten werde, vor allem von den Leuten, die in mein Zelt kommen und meine Kulturarbeit schätzen. Drunter gibt es auch FDP- und SVP-Mitglieder. Die meisten Stimmen habe ich aber von Wählern der SP und der Grünen bekommen.

Sie haben der FDP im Toggenburg einen Sitz abgenommen. Anstatt drei schicken die Freisinnigen jetzt nur noch zwei Leute in die Pfalz. Hat die FDP etwas falsch gemacht oder sind das alles einfach nur Kulturbanausen?

Ich glaube nicht, dass die FDP etwas falsch gemacht hat. Die Partei hat auch einen Sinn für Kultur. Sie steht sowohl hinter dem Klanghaus-Projekt Schwendisee wie auch hinter Kultur Toggenburg, der Vereinigung für regionale Kulturförderung. Ich bin wahrscheinlich auch wegen des Rücktritts der FDP-Frau Vreni Wild, der Gemeindepräsidentin von Neckertal und Vizepräsidentin von Kultur Toggenburg, ins Parlament gewählt worden. Sie trat nach zehnjähriger Ratszugehörigkeit zurück. Sicher habe ich einige Stimmen von ihr geerbt.

Sie seien nicht «08/15», haben Sie in einem Wahlclip über sich selbst gesagt. Welches ist Ihr Tatbeweis ?

Ich bin vor 24 Jahren ins Toggenburg gezogen, habe vor 13 Jahren ein Zelt und vier rostige Container gekauft und in Unterwasser das Kleintheater Zeltainer gestartet. Zudem entwickle ich intelligentes Spielzeug für Hunde und vertreibe als Spassfahrzeug verschiedene elektrische Einräder. Ich glaube, das ist nicht der Mensch, den man sich unter 08/15 vorzustellen hat.

Eines Ihrer Wahlversprechen lautet: Ich setze mich für vielfältige Kultur im Toggenburg ein. Wo werden Sie jetzt als Kantonsparlamentarier damit beginnen?

Im Vordergrund steht noch immer für mich das Klanghaus-Projekt am Schwendisee. In der Schlussabstimmung ist es im Parlament völlig unerwartet gescheitert. Deshalb darf man es aber nicht total abschreiben. Die Entscheidungsträger werden sich jetzt zusammensetzen müssen und überlegen, wie es weitergehen kann. Ich werde mich nun erst recht für dieses Projekt einsetzen.

Zweimal hat das Parlament dem Klanghaus zugestimmt. Warum wurde es jetzt fallen gelassen?

Ich habe im Moment keine Erklärung dafür, ausser dass die Politik auch sehr unberechenbar sein kann. Vielleicht ist einer der Gründe, dass am 1. März, als die Schlussabstimmung erfolgte, die Wahlen vorbei waren und sich einige Parlamentarierinnen und Parlamentarier dachten, sie müssten nicht mehr auf den kulturinteressierten Teil der Wählerschaft achten. Das Klanghaus ist für die Kultur im Kanton so bedeutend wie die Lokremise in St. Gallen, das Schloss Werdenberg und das Zeughaus in Rapperswil. Darum darf es nicht einfach fallengelassen werden, nur weil das Kantonsparlament Nein gesagt hat. 

Sie sagen, dass Sie sich in der Politik mit vielen Leuten und Parteien vernetzen wollen. Gilt das auch für die SVP?

Die Vernetzung ist sehr wichtig, und es gibt auch bei der SVP Leute, die sich für die Kultur einsetzen. Ein Beispiel ist der Gemeindepräsident von Ebnat Kappel, Christian Spoerlé, der auch Präsident von Kultur Toggenburg ist. Ich habe da keine Berührungsängste. Eigentlich bin ich jetzt auch noch gar kein Politiker, ich bin aber auf dem Weg einer zu werden.

Sie sind Vorstandsmitglied von Südkultur. Die Vereinigung, der 16 Gemeinden angehören, will im südlichen Teil des Kantons St.Gallen zusammen mit dem Amt für Kultur für eine nachhaltige Kulturförderung sorgen. Werden Sie sich im Parlament für die Stärkung dieser Vereinigung einsetzen?

Südkultur ist ein Selbstläufer, der auch ohne direkte Unterstützung durch das Kantonsparlament gut funktioniert. Das Gleiche gilt für Kultur Toggenburg, KulturZürichseeLinth, ThurKultur und die Rheintaler KulturStiftung. Das sind alles Vereinigungen, welche sich um Kultur und Förderbeiträge in den jeweiligen Regionen kümmern und damit die Gemeinden entlasten. Sie sind gut aufgestellt und müssen es auch bleiben. Das funktioniert und sollte so bleiben.

Auch nach Ihrer Wahl wollen Sie keiner politischen Partei beitreten. Warum nicht?

Ich bleibe parteilos wie ich für die Wahl angetreten bin. Natürlich werde ich aber einer Fraktion beitreten. Dafür kommt für mich die SP in Frage. Sie steht mir politisch am nächsten.

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