, 2. August 2015
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99 Namen für Allah

Eine Gruppenausstellung im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil gibt Einblicke ins zeitgenössische Kunstschaffen des Nahen und Mittleren Ostens. Die Ansätze sind vielfältig und nicht selten explizit politisch.

Als erstes sticht eine alte Haubitze ins Auge, die überzogen mit einem blau verspiegelten Glasornament im Treppenaufgang steht. Passt zum alten Zeughaus. Es ist eine Arbeit des Iraners Mehdi Nabavi aus 2013. Oben angekommen, wird der Blick frei auf den Rest der 1000 Quadratmeter grossen Fläche im Kunst(Zeug)Haus in Rapperswil, wo derzeit 16 Künstlerinnen und Künstler, grösstenteils aus dem arabischen und dem iranischen Raum, ihre Werke zeigen. «There Are Too Many Walls But Not Enough Bridges» heisst die Ausstellung.

Es ist ein kurzes Gastspiel. Initiiert wurde es von der Oryx-Foundation in Luzern, deren zentrales Anliegen die «aktive Förderung des freundschaftlichen Austauschs zwischen Ost und West» ist. In den vergangenen fünf Jahren hat die gemeinnützige Stiftung rund 25 Kunstschaffende aus dem arabischen und iranischen Raum nach Luzern eingeladen, wo sie während zwei bis drei Monaten als Artists in Residence an ihren Projekten arbeiten konnten. Gleichzeitig ermöglichte sie europäischen Künstlerinnen und Künstlern Reisen in den Nahen und Mittleren Osten.

Mehr oder weniger explizit politische Kunst

Mitten im Raum steht die überdimensionale rote Klobürste namens El Hillal wel Negma (Halbmond und Stern) von Ahmed Badry aus Kairo. Könnte man als Aufforderung verstehen, der dampfenden Kacke im Nahen und Mittleren Osten endlich beizukommen. Oder auch nicht. Gleich daneben stehen vier farbverspritzte Satellitenschüsseln von Talal Al Zeid aus Saudi Arabien. Sie stehen für den täglichen Kampf um die Erhaltung virtueller Kommunikationswege in Syrien, im Irak oder in Saudi Arabien.

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El Hillal wel Negma, Ahmed Badry, 2011

Kritik am Staat oder an der Gesellschaft ist in vielen Werken zu finden. Bei Baktash Sarang etwa ist sie sehr explizit. Auf kleinen Gemälden verarbeitet der Iraner grosse Themen wie Gewalt, Kriegspropaganda oder die Unterdrückung der Frau. Dagegen wirken die Bilder von Mohamed Al Mazrouei aus den Vereinigten Arabischen Emiraten fast schon harmlos. Seine Bilder zeugen von einer sinnlichen Körperlichkeit und Erotik, die auch in seiner Heimat nur allzu oft unter dicken Schleiern versteckt werden muss.

Alltag in Kairo: Schlange stehen

Mina Nasr begegnet den kulturellen Eigenheiten seines Landes eher humoristisch: Er lässt lebensgrosse Figuren Schlange stehen – Alltag in Kairo, wie er sagt. Und in der Politik: «Auch wenn die Revolution bereits fünf jahre zurück liegt, Ägypter stehen immer noch Schlange. Die gleiche Schlange der antiken Ägypter, wartend, dass sich etwas ändern möge im Hier und Jezt, um sich dann der Zukunft hinzugeben.»

Verglichen mit den Arbeiten aus dem arabischen Raum gleicht Bruno Müller-Meyers 36-teilige Bildserie Von Luzern nach Mekka fast schon einer Postkaten-Idylle – wären da nicht auch Gebäude und Orte darunter, die seit dieser Reise dem Krieg zum Opfer gefallen sind.

Auffällig ist, dass die Künstlerinnen eher abstrakte bzw. formale Ansätze gewählt haben. Da ist zum Beispiel Layla Jumas wundervolle Arbeit aus Kaugummis, die sich in der Makroaufnahme zu gedrungenen Körpern verschlingen. Oder Lulwah Al Homoud, die 99 verschiedene Namen für Allah in eine streng geometrische Form bringt. Und es gibt die Grossformate von Samira Hodaei: Die junge Iranerin verbindet die Ornamentik des arabischen Raums mit moderner Pixelästhetik und erschafft so wundersame, fast impressionistisch anmutende Texturbilder.

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Lulwah Al Homoud

Mehdi Nabavi

Mehdi Nabavi

Al Mazrouei

Mohamed Al Mazrouei

Baktash Sarang

Baktash Sarang

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Layla Juma

There Are Too Many Walls But Not Enough Bridges: bis Sonntag, 16. August im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil.
Infos und Begleitprogramm: kunstzeughaus.ch

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