, 4. Juli 2014
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Clowns an einem Kindergeburtstag (eine Art WM-Filmkritik)

Dutzende von Kameras filmen die Spiele der Fussball-WM und das Bildkonzept der Fifa wird in Perfektion durchgezogen. Das Resultat ist konfektionierte Langeweile.

Müsste man eine Filmkritik über eines der Fifa-WM-Spiele schreiben, wäre darin das starre Bildkonzept und die langweilige Kameraführung ein zentrales Thema.

Es gibt hundert verschiedene Möglichkeiten ein Fussballspiel zu filmen. Die Variante der Fifa setzt auf totale Kontrolle: Der freie Blick wird massiv einschränkt, alle Emotionen werden gefiltert.

Im Prinzip gibt es bei den Übertragungen nur vier Sujets:

Aus einer Art Halbdistanz wird von schräg oben etwa ein knappes Viertel des Spielfelds abgedeckt. Man sieht mindestens teilweise, wie sich in die Spieler in ihren Schwarmformationen bewegen, erkennt die verschiedenen Abspielmöglichkeiten, bekommt mit, wie Gegenangriffe ausgelöst werden. Diese Einstellung ist die häufigste und es ist diejenige, die am ehesten einen freien Blick ermöglicht. Sie ist natürlich durch das Spiel selber bedingt: Nur so kann verhindert werden, dass der Zuschauer den Ball bei langen Pässen aus dem Sichtfeld verliert.

Sobald es einen Unterbruch im Spiel gibt, wird auf einen der Spieler gezoomt. Manchmal nur auf ein Gesicht. Ab und zu wird eine Geste gezeigt. Immer wieder in Slow-Motion. Zu sehen ist dann nicht mehr die Mannschaft, das Team sondern das Individuum, der Star. Geht das Spiel weiter, erfolgt sofort der Schnitt und es wird zurück auf die Halbtotale gewechselt.

Neben den Spielern und dem Publikum stehen die Trainer im Mittelpunkt. Sie sollen in ihrer Gestik, in ihrem Gesichtsausdruck den Spielverlauf spiegeln. Selten werden die Spieler auf der Bank gefilmt. Die Kamera konzentriert sich ganz auf Löw, Hitzfeld oder Scolari.

Ruht der Ball, werden sorgfältig ausgewählte Spots aus dem Publikum gezeigt. Zu sehen sind nie grössere Gruppen, weil dann die Kontrolle des Bildes schwieriger wird. Es gibt beispielsweise keine Kamerafahrten entlang der Ränge, sondern nur einige wenige Standardeinstellungen: Der Klassiker sind zwei, drei Gesichter von Zuschauern, die so gebannt dem Spiel folgen, dass sie wie Darsteller in einem TV-Spot wirken. Die häufigste Variante – seit dem Eröffnungsspiel hundertfach zu sehen – ist die kleine Gruppe, die sich plötzlich auf dem Grossbildschirm im Stadion sieht und sich begeistert darauf aufmerksam macht.

Meistens sind die gezeigten Zuschauer so verkleidet, als wäre Fussball eine Fasnachts-Veranstaltung. Oder als wären sie Animateure in einem Freizeitklub. Oder Clowns an einem Kindergeburtstag.

Die gezeigten Zuschauer werden von der Regie sorgfältig ausgewählt und tragen beispielsweise keine T-Shirts mit falschen Logos, halten keine Transparente hoch und tragen auch keine unerwünschten nationalen Symbole. Sie scheinen auch nie gelangweilt – wie es zwischendurch normal ist – oder stehen auf, um gerade ein Bier zu holen. Sie wirken eher wie Schauspieler als wie normale Fussballfans. Sogar wenn die Kamera nach einer Niederlage in den Gesichtern Trauer und Enttäuschung einfängt und auf Tränen zoomt, wirkt dies nicht wirklich echt. Schliesslich sind die Bilder kaum je unmittelbar aufgenommen worden, sondern werden von der Regie im richtigen Moment eingespielt.

Als Beleg dafür diese Abfolge, die in jeden Spiel mehrfach abläuft: Eine Torchance wird herausgespielt, gefilmt in der üblichen Halbdistanz. Anschliessend wird die Szene aus verschiedenen Blickwinkeln in Nahaufnahmen und in Slow-Motion wiederholt. In dieser Zeit sichtet die Regie das Bildmaterial. Es folgte die zur Szene passende Reaktion von zwei, drei Zuschauern – ebenfalls in Slow Motion.

Dann geht das Spiel geht weiter.

Was sonst noch alles von der Fifa nicht  gezeigt wird, hat unter anderem Info-Sperber aufgezeigt: SRF macht Fifa-Propaganda nicht transparent.

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