, 30. Mai 2014
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Die Tore werden hochgezogen

Im Schweizer Fussball wird immer mehr auf Besitzstandswahrung gesetzt – nicht auf sportliche Konkurrenz.

Zuerst die aktuelle Vorschau:

Bevor die Blatter-Spiele in Brasilien beginnen, gibt es in St.Gallen am Samstag nochmals richtigen Fussball zu sehen: In der letzten Runde der Promotion-League sind um 16 Uhr gleichzeitig Heimspiele des SC Brühl und der U21 des FC St.Gallen angesetzt. Die St.Galler, die vor wenigen Wochen noch als Absteiger gesetzt schienen, liegen vor der letzten Runde punktgleich, aber mit einem weniger schlechten Torverhältnis vor dem zweitletzten Kriens auf einem Nichtabstiegs-Platz.

Kriens spielt am Samstag ausgerechnet gegen den SC Brühl und muss dort mindestens einen Punkt mehr holen als der FC St.Gallen gegen YF Juventus.

Die Ausgangslage ist interessant. In einer normalen Liga wäre sie allerdings noch interessanter. Doch davon später.

Betrachtet man die drei obersten Ligen im Schweizer Fussball, zeigt sich folgendes Bild:

Aus der Super-League gibt es nur noch einen Absteiger. Die Barrage wurde abgeschafft. Das gibt mittelgrossen Klubs Planungssicherheit. Sie sind durch den teuren Betrieb der neuen Stadien so stark belastet, dass sie sich Abstiege kaum leisten können. Dies räumte Markus Lüthi, Präsident des FC Thun, kürzlich in einem Interview mit der «NZZ» ein. Lüthi sagte: «Einen Abstieg können wir uns wegen der Fixkosten im neuen Stadion nicht leisten.»

In der Challenge League zahlen viele Klubs keine existenzsichernden Löhne mehr. Auch dort sind die Sicherheitskosten wegen der vielen Auflagen hoch. Kaum ein Klub hat die finanzielle Kraft – und die baulichen Voraussetzungen – um in die Super League aufsteigen zu können. Sie würden die Lizenz für die oberste Spielklasse gar nicht erhalten – falls sie diese überhaupt beantragen. So hat der FC Wil zwar ein neues Stadion, das auf den Klub optimal zugeschnitten ist. In der Super League werden aber mindestens 8000 Sitzplätze verlangt. Die hat es in Wil bei weitem nicht. Soll Wil aufsteigen, nur um nachher in der AFG-Arena spielen zu müssen?

Der Schweizer Fussball entwickelt sich immer mehr zu einem System nach US-Vorbild: Dort gibt es Profi-Ligen, in denen die Teilnehmer nur noch nach wirtschaftlichen Voraussetzungen ausgewählt werden. Ein langsamer Aufbau ist nicht möglich. Die Klubs sind deshalb reichen Geldgebern ausgeliefert.

Doch zurück in die Promotion League. Dort zeigt sich die Entwicklung besonders deutlich:

YF Juventus, der Gegner des FCSG im alles entscheidenden Spiel, ist Tabellenzweiter und liegt nur einen Punkt hinter Spitzenreiter Le Mont. Es gibt aus der Promotion League nur einen Aufsteiger in die Challenge League. Man müsste also von einem Hitchcock-Finale um den Aufstieg sprechen. Trotzdem dürfte YF Juventus der Spielausgang mehr oder weniger egal sein. Der Grund: Der Klub hat keine Lizenz für die Challenge League erhalten: Aus infrastrukturellen Gründen. Das Stadion mit 2500 Plätzen genügt der Liga nicht. Es geht beispielweise um die fehlende Sektorentrennung, um stärkeres Licht. Das gleiche gilt auch für den Drittplatzierten FC Köniz, der mit zwei Punkten Rückstand auf Le Mont ebenfalls noch aufsteigen könnte. Theoretisch.

Weil nur Le Mont die Lizenz erhalten hat, steht die Mannschaft als Aufsteiger bereits fest. Le Mont? Zur Erinnerung: Als Le Mont im Februar im Cup gegen den FC Basel spielen sollte, befand der Fussballverband den Platz für ungenügend. Le Mont musste im St.Jakobspark antreten und kassierte dafür einen hohen fünfstelligen Betrag.

Le Mont wird in der Challenge League denn auch nicht auf dem eigenen Sportplatz spielen. Der Klub hat die Lizenz nur erhalten, weil der Präsident, ein reicher Gemüsegrosshändler, im 35 km entfernten Baulmes ein Stadion gefunden hat, das die Bedingungen des Fussballverbandes erfüllt.

Schöne neue Fussballwelt.

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