, 29. Juni 2023
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Saiten im Sommer: Grüner und Schwarzer Engel

Ein Heft über den Beinahe-Absturz des Schwarzen Engels, die Präsidentschaftswahlen in der Türkei und Ausgehtipps für Juli/August. Ausserdem im heissen Sommer: zwei Repliken auf die Textilmuseumskritik vom letzten Heft und – leider, leider – zum allerletzten Mal Jan Rutishausers Warum-Kolumne.

Es war nicht das erste Mal, dass der Schwarze Engel, die alternative Traditionsbeiz in der St.Galler Altstadt, gerettet werden musste. Aber es war wohl noch nie so knapp wie im vergangenen Herbst. Innert fünf Tagen mussten 30’000 Franken her, ansonsten hätte die Genossenschaftsbeiz ihre Bilanz deponieren müssen. In der eiligst auf die Beine gestellten öffentlichen Rettungsaktion kamen 150’000 Franken zusammen. Damit hätte wohl niemand gerechnet. Der Engel war mehr als saniert.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie die Genossenschaft in den vergangenen Jahren gewirtschaftet hat. Klar, da war Corona. Aber das allein erklärt die Beinahekonkurs nicht. Schon 2019 gab ein Genossenschafter an einer ausserordentlichen GV zu Protokoll, dass die Finanzen «drastisch» aussehen. Nur hat scheinbar niemand ernsthaft auf diese Warnung reagiert. Aussenstehende wunderten sich denn auch über den plötzlichen Hilferuf aus der Engelgasse. Denn die Beiz schien hervorragend zu laufen. Gerade an den Wochenenden ist drinnen und draussen manchmal kaum ein Durchkommen.

Wo es genau hakte, ist immer noch Gegenstand interner Abklärungen der mittlerweile neu besetzten Genossenschaftsverwaltung. Das ist auch fürs Kollektiv ein schmerzhafter Prozess, denn dabei werden auch alte Konflikte hochgespült, die man lieber vergessen würde. Aber die Misswirtschaft der Vergangenheit lässt sich in einem gemeinschaftlich organisierten Betrieb wie dem Schwarzen Engel eben nicht losgelöst vom Zwischenmenschlichen aufarbeiten.

Saiten hat mit diversen Personen aus dem Umfeld des Engels gesprochen, mit heutigen und ehemaligen Mitarbeitenden. Da war von informellen Hierarchien die Rede, gar von Mobbing. In den letzten zehn Jahren kam es zu drei höchst umstrittenen Entlassungen, unter anderem aufgrund nie bewiesener Diebstahlanschuldigungen. Jene, die damals den Ton angaben, hatten auch das landwirtschaftliche Biohofprojekt Grüner Engel ins Leben gerufen, von dem der Schwarze Engel jahrelang einen kleinen Teil seines Gemüses bezog – eigentlich eine hübsche Idee. Wie gross der Anteil des Grünen Engels, dessen Auflösung im Mai beschlossen wurde, am Beinahekonkurs des Schwarzen Engels ist, muss im Detail abgeklärt werden. Saiten liefert ab Seite 17 eine erste Auslegeordnung.

Corinne Riedener war rund um den zweiten Wahlgang der türkischen Präsidentschaftswahlen in Ankara und Diyarbakır unterwegs im Rahmen einer Delegationsreise. Sie hat ein Beobachtungsteam auf seinem Gang durch die Wahlstuben begleitet und mit Journalist:innen, Anwält:innen und Politiker:innen über das «System Erdoğan» gesprochen, das in alle Winkel des Staates und der Gesellschaft reicht. Ergänzt ist der Türkeischwerpunkt mit zwei einordnenden Beiträgen von Rojda Oğuz und Ronî Riha.

Ausserdem im heissen Sommer: die Saiten-Sommertipps aus allen Ecken der Ostschweiz und darüber hinaus, zwei Repliken auf die Textilmuseumskritik aus dem letzten Heft und – leider, leider – zum allerletzten Mal die Warum-Kolumne von Jan Rutishauser. Danke, Jan, für 48 Mal «warum?» und «wieso?» und «überhaupt!».

Roman Hertler

 

Der Inhalt:

Reaktionen/Positionen
In eigener Sache: Zur Jubiläumsumfrage
Stimmrecht von Sangmo
Warum? Von Jan Rutishauser
Ausblicke aufs Paula-Festival mit Michael Finger
Nebenbei gay von Anna Rosenwasser

 

Recherche

Von Engeln und Pleitegeiern

Das landwirtschaftliche Genossenschaftsprojekt Grüner Engel ist Geschichte. Wie kams dazu? Und was hat sein Ende mit dem Beinahekonkurs der Genossenschaftsbeiz Schwarzer Engel in St.Gallen zu tun? Saiten hat sich durch den Mulch gewühlt.

von David Gadze und Roman Hertler, Illustrationen: Ladina Bösch

Reportage

Vor der Wahl ist nach der Wahl

Erdoğan hat die Türkei fest im Griff. Sein Herausforderer in der Präsidentschaftswahl, Kemal Kılıçdaroğlu, hatte einen demokratischeren Kurs versprochen, doch der erhoffte Systemwechsel ist ausgeblieben. Die Reportage aus Ankara und Dyarbakır in den Tagen rund um die Stichwahl am 28.Mai.

von Corinne Riedener, Bilder: Luca Isepponi

Erdoğan hat gewonnen, aber die Türkei hat verloren
von Ronî Riha

Journalistinnen unter Druck
von Rojda Oğuz

 

 

Kultur

Sommertipps: Musik, Kino, Theater, Literatur und Kunst in Rorschach, Arbon, Wil, Schwellbrunn, Eggersriet, Herisau, Rapperswil-Jona, St.Margrethen, Kreuzlingen, Islikon, Vaduz, Winterthur, Appenzell, Lichtensteig, Feldkirch, Bonaduz, Chur und St.Gallen.
von Larisa Baumann, David Gadze, Roman Hertler, Andres Kneubühler, Corinne Riedener, Kristin Schmidt, Franziska Spanner und Peter Surber

Plattentipps: Analog im Sommer
von Lidija Dragojevic, Magdiel Magagnini und Philipp Buob

Gutes Bauen Ostschweiz (X): Schwarz ist nicht gleich schwarz.
von Stefanie Haunschild

 

Abgesang

Kellers Geschichten
Pfahlbauer jr.
Comic von Julia Kubik

1 Kommentar zu Saiten im Sommer: Grüner und Schwarzer Engel

  • Jakob Federer-Aepli sagt:

    Grüner und Schwarzer Engel
    Vom ersten bis zum letzten Schluck verschlang ich eure Recherche. Auch mit einer gewissen voyeuristischen Faszination. Ich verbrachte in den späten 80 er Jahren selbst zwei Jahre in einem Gastro – Kollektiv. Der Engeltext weckte alte Erinnerungen auf. Geister, wäre zu viel gesagt. Diese sind schon lange ausgeflogen. Wie die schlafenden Hunde sich verzogen haben. Ich zog damals von dannen auch weil der Lohn die Schmerzgrenze der Selbstausbeutung überschritten hatte. Gelernt habe ich damals viel. In der Küche, im Service, im Umgang mit Gästen, den Heraufforderungen von regelmässigen VV (Vollversammlungen). Und eine Binsenwahrheit: Das Geld, das du in der Kasse hast um Löhne zu zahlen, einzukaufen, Gemüse, Fleisch und Getränke und sogar das WC-Papier, das kommt alleine von den Gästen die dir den Besuch vergelten.
    Wollten die Engelkollektive die Schwerkraft überwinden und die betriebswirtschaftlichen Grundgesetze ausser Kraft setzen? Gibt es möglicherweise eine angeborene Berührungsangst in der Szene mit Geld. (Einer der sich mit Geld und Musik auskennt, eröffnete nicht 200 Meter vom Engel entfernt einst ein Restaurant. NONOLET («Pecunia non olet»,abgeleitet vom lateinischen «Geld stinkt nicht»).

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