Von der Verträglichkeit des Unterschieds

«Transkulturalität» heisst das Zauberwort. Die Abteilung Chancengleichheit im Appenzell-Ausserrhoder Amt für Soziales, die das «Plattform»-Format entwickelt hat, meint: «Vielfalt ist unsere Stärke». Um das zu beweisen, wurden in das Alte Zeughaus in Herisau der Zürcher Verein Mondopoly und die Vizepräsidentin des IKRK, Christine Beerli, an die «Plattform 10» eingeladen.
Das Format hat sich zum Ziel gesetzt, Fachleute, Entscheidungsträgerinnen und –träger sowie an aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen Interessierte zusammenzubringen, um Themen zur Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit zu diskutieren. Man will Impulse setzen und als Sensorium für Entwicklungen und Trends wirken. Der Verein Mondopoly engagiert sich für eine Gesellschaft der gegenseitigen Anerkennung, wo mehr miteinander statt übereinander geredet wird. Christine Beerli vertritt eine Schlüsselstellung im Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, bei welchem Mitarbeitenden aus über 120 Nationen tätig sind. Das IKRK muss die Prinzipien der humanitären Arbeit und die Regeln des humanitären Völkerrechts in Relation zu den Grundwerten der verschiedenen Kulturen bringen.
Begegnungsspiel um Vorurteil abzubauen
Vielfalt als Potenzial statt als Bedrohung erleben. Der Verein Mondopoly hat für ein Begegnungsspiel fünf Menschen eingeladen, die ein bestimmtes Merkmal, eine bestimmte Gruppe repräsentierten: ein Drogenabhängiger, eine Transsexuelle, zwei Frauen in gleichgeschlechtlicher Ehe, eine Rollstuhlfahrerin und einen Geflüchteten. Sie erzählten aus ihrem Leben und stellten sich den Fragen der «Plattform»-Teilnehmenden, die so nach dem Motto «miteinander statt übereinander reden» über die eigenen Vorurteile und Kategorisierungen nachdenken konnten. Das Begegnungsspiel Mondopoly wird in Herisau am 20. Mai 2017 nochmals in grösserer Form ab 9 Uhr im Schulhaus Ebnet West stattfinden.
Für IKRK-Vizepräsidentin Christine Beerli ist die kulturelle Vielfalt in der täglichen Arbeit ihrer Institution unabdingbar, weil das IKRK in über 90 Ländern mit Gewaltsituationen tätig sei. Dazu gehörten etwa schwere Gewaltkriminalität in Mexiko und massive kriegerische Auseinandersetzungen in Syrien und auch in Afrika. Tangiert seien die unterschiedlichsten Kulturen.
Dem IKRK gehe es vor allem darum, bei kriegerischen Auseinandersetzungen der Genfer Konvention und dem humanitären Völkerrecht Nachachtung zu verschaffen. Aber auch die Gleichstellung von Mann und Frau sei in den Krisengebieten wichtig. Vor allem im arabischen Raum seien bei den humanitären Hilfsorganisationen Frauen noch stark untervertreten. Sie seien aber sehr wichtig, weil zu den weiblichen Opfern von Gewalt aus kulturellen Gründen nur über Frauen Kontakte geschaffen werden könnten.
Einheimische nur beschränkt einsetzbar
Laut Beerli sind in der Regel IKRK-Einsätze in Gefängnissen und bei politisch Verantwortlichen sowie bei den Militärs in den Krisengebieten nur über mobile Delegationen mit ausländischer Besetzung machbar. Einheimische IKRK-Mitarbeitende würden sich Repressionen der Machthabenden aussetzen. Sie seien aber sehr gut bei der Nahrungsmittel- und Medikamentenverteilung einsetzbar.
In sogenannten Prothesen-Werkstätten und Therapiezentren für Kriegsopfer in Somalia und Afghanistan setzt das IKRK derzeit mit grossem Erfolg sowohl Frauen ein wie auch Mitarbeitende, die selbst als Kriegsopfer Prothesen tragen. Das schaffe grosses Vertrauen zu den Patienten und Patientinnen, sagte Beerli. Damit könne deutlich gemacht werden, dass auch Behinderte selbst als Helfer zum Einsatz kämen.
«Das IKRK bleibt in politischer Hinsicht stets neutral», sagte die Vizepräsidentin. «Das heisst aber nicht, dass wir auf diplomatischer Ebene in eigener Sache gleich positioniert sein müssen. Beispielsweise haben wir bei den Taliban in Afghanistan erreicht, dass sie jetzt auch IKRK-Kurse über die Genfer Konvention besuchen, die sie vorher strikte abgelehnt hatten. Wir haben das nur geschafft, weil wir den Besuch von Kurse in Erster Hilfe, an denen die Taliban sehr interessiert sind, von dem Besuch der Kurse über die Genfer Konvention abhängig machten.»