Theater mit Kultcharakter
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Die berührende Feier im Figurentheater galt dem krankheitshalber ausscheidenden Tobias Ryser – am «Übergabefest» stellte sich aber auch das Nachfolgeteam vor: Frauke Jacobi und Stephan Zbinden. Weiter im Leitungsteam bleibt die bisherige Co-Leiterin Alexandra Akeret.
Es war einmal…
Bereits mit vierzehn begann Tobias Ryser als Spieler und Sprecher am damaligen Puppentheater. Und schon 1971, als Neunzehnjährigem, gab ihm der damalige Leiter Hans Hiller die Chance zu einer ersten Eigeninszenierung: «Brüderchen und Schwesterchen» (nach Grimm). Text, Regie, Gesamtleitung, alles inklusive. Nach einer zweiten Inszenierung mit Marionetten brachte Ryser bereits einen eigenen Stoff auf die Bühne: «Die seltsame Reise», den er realisierte mit Hand-, Stab- und Stockpuppen.
Daran schloss sich eine Arbeit mit Ruedi Stössel, dem Rorschacher Physiker, Mathematiker und Chemiker, einem prägenden Altmeister des Puppenspiels. 1956 hatte das St. Galler Puppenspiel Urständ gefeiert mit «Goethe im Examen»: Das Puppentheater war auch in St. Gallen beim Erwachsenen-Publikum angekommen.
Flair fürs Experimentelle
Ryser nahm den Faden auf – und führte das kleine Theater im Lämmlisbrunn von Erfolg zu Erfolg, öffnete es kontinuierlich neuen Stoffen und Formen, wagte sprachlich und darstellerisch Ausserordentliches, Experimentelles, immer wieder unter Einbezug von befreundeten Theatern – Basel vor allem, Winterthur – und international renommierten Künstlern.
Aus dem auch aus heutiger Sicht noch wunderbaren Puppentheater (mit dem von Kindern bejubelten Kaspar oder, wie im Titelbild, mit «Schneewittchen») wurde unter der Leitung von Tobias Ryser und seiner Crew – den gewöhnlich um die 40 zumeist unbezahlten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – ein Figurentheater mit Kultcharakter, mit immer wieder neuen Ausdrucks- und Stilformen, ein Magnet für Kinder an Mittwoch-, Samstag- und Sonntagnachmittagen mit fast ständig ausverkauften Vorstellungen. Und ein Treffpunkt für Erwachsene mit dem Bedürfnis nach dem Speziellen, Besonderen, Unkonventionellen.
Mit seinem über vier Jahrzehnte langen Einsatz, mit seinem Kunstsinn, seinem technischen und spielerischen Können hat Tobias Ryser erreicht, was wenigen von uns vergönnt ist: Zuneigung, Anerkennung und Herz zu gewinnen eines grossen kleinen Publikums. Plus theatergeschichtlich einen Markstein zu setzen.