Schlagobers, Tuatn und ein Falco-Cover

Lalier aus St.Gallen und Nino aus Wien verwöhnten uns am Donnerstag im Palace mit ganz reizender Tresenliteratur. So muss sich ein Feierabend anfühlen.
Von  Corinne Riedener

Ich muss zugeben: viel kannte ich nicht von diesem Nino aus Wien. Ein paar Lieder, den Oasch zum Beispiel, Fühlen und diesen Track, den er mit Skero von Texta gemacht hat. Das wars auch schon. Allerdings liess ich mir von mehreren Personen und zwar mit Nachdruck versichern, dass man sich das auf gar keinen Fall entgehen lassen darf. So hörte ich mir am Donnerstagnachmittag mehr schlecht als recht – bis in der Nacht zuvor waren wir noch mit dem Märzheft beschäftigt – husch ein paar von Ninos Liedern an, damit ich am Abend wenigstens so tun konnte, als hätte ich Ahnung.

Mir gefiel, was ich hörte. Moderne Tresenliteratur, leichte Lieder, reizend und furztrocken. Ninos «Wiener Goschn» tat das Übrige und so schlenderte ich um neun erwartungsvoll und mittlerweile auch nicht mehr ganz nüchtern Richtung Palace, wo die roten Sessel schon fast bis auf den letzten Platz belegt waren. Nino und sein Bandkollege Raphael Sas seien wohl auch ziemlich übernächtigt und in entsprechender Bierlaune, raunte jemand an der Bar. Ich war also nicht allein.

Grosses Kino, gute Frau

Als Denise Lier alias Lalier mit ihrer Gitarre die Bühne betrat wusste ich definitiv, dass der Abend gut wird. Sie ist quasi der Nino aus St.Gallen. Ohne Wiener, dafür in St.Galler Mundart. Faszinierend, wie sie nur mit Gitarre und Blümchen auf der kleinen Bühne sitzt und den Raum erfüllt. Lalier ist pur, politisch, direkt. Und ehrlich. «Mir gfallt din Humor. Und din Arsch», singt sie mit fragiler Stimme. «Du frogsch mi wani tenk und i säg… nünt.» Oder: «i glaub, di allerriichschte… reglet da gern under sich.»

Lalier am 19.2.15 im Palace St.GallenLalier ist toll, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass da stimmlich noch massiv mehr drinläge. Und dann endlich, beim letzten Lied, zügelt sie an den Flügel und lässt die Chansonnière heraus. Einen kurzen Moment lang. Dann zerbröckelt sie wieder, wie wenn das alles nie gewesen wäre – grosses Kino, gute Frau.

Einer spielt, der andre raucht

Als ich vom Rauchen zurückkam waren der Nino aus Wien und sein Kumpel Raphael Sas schon voll zu Gange. Im Gegensatz zu Lalier kamen mir die zwei allerdings etwas gar affektiert vor. Aber nur bis ich merkte: Die sind einfach so – gemütlich, verstrichen, gammlig und verdammt unterhaltend. Ich meine, wer singt schon drei Minuten lang über Schlagobers, Gulasch und Tuatn (Torten)…. Und sie haben die Schichtarbeit auf der Bühne etabliert: Während der eine spielt, kann der andre rauchen und umgekehrt.

Auf der Internetseite seines Labels Problembär hatte ich am Nachmittag gelesen, dass der Nino seine frühen Texte alle im Klebstoffrausch geschrieben haben soll. «Mit 15 oder 16 war ich in einer Gang, wir schnüffelten den ganzen Tag Klebstoff und in der Nacht klauten wir Fahrräder», steht dort. Ich glaub ihm das. Wie sonst hätte er Falcos Nachtflug so grossartig covern können?

Strasse und schwitzende Nacht

Worum es in seinen Liedern geht, ist im Nachhinein gar nicht so einfach zu sagen. Ich sass die ganze Zeit seelig im Sessel, den ich mir mittlerweile erobert hatte, lauschte den poetischen Tresenliedern der übernächtigten Wiener und versuchte das dümmliche Dauergrinsen aus meinem Gesicht zu bekommen. Sicher mal geht es ums Trinken – Nino soll sich ja ganz wohl fühlen mit diesem Künstler-Klischee, hab ich mir sagen lassen –, um die Strasse, die schwitzende Nacht, ums Leben, das Laster, die Liebe oder eben: um Schlagrahm.

Das ganze erinnerte mehr an eine spontane Jam Session als an ein Konzert. Aber das ist schon gut so, schliesslich braucht gute Musik ja keine Lasershow. Jedenfalls war er eine wohltuende Abwechslung, der Nino aus Wien, aber das ist auch schon alles, was ich aus Gründen meiner mangelnden Kompetenz sagen kann. Alles andere wäre Vorgegaukel, gefährliches Halbwissen oder simple Wichtigtuerei. Drum lass ichs. Nur eines noch: Gestern wären Element of Crime in Zürich gewesen. Ich bin ganz froh, dass ich kein Ticket mehr ergattern konnte.

 

 

IMG_4397Bilder: Dani Fels

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