Oben und unten in der Stadtratswahl

Zu wenig Profil im St.Galler Stadtrats-Wahlkampf? Wer schaut, woher die Leserbriefe für Barbara Frei und für Peter Jans kommen, erhält ein klares Stadt-Profil.
Von  Peter Surber

Am kommenden Sonntag wird eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger für Fredy Brunner gewählt. In den öffentlichen Podiumsdiskussionen hielt sich der Schlagabtausch zwischen den beiden Konkurrenten um den Sitz, SP-Kandidat Peter Jans und FDP-Kandidatin Barbara Frei, in Grenzen – beide gaben sich mehrheitstauglich, im Wissen darum, dass die Mitte-Wählerinnen und -Wähler diese Wahl entscheiden.

Kaum Unterschiede also zwischen links und rechts?

Zumindest zwischen oben und unten gibt es durchaus Unterschiede. Das zeigt eine Auswertung der insgesamt 119 Leserbriefe, die im «St.Galler Tagblatt» für Jans beziehungsweise für Frei erschienen sind, Stand 25. November: 69 plädierten für Jans, 50 für Frei. Schaut man die Absenderadressen an, zeigt sich: Für Frei kamen die Briefe mehrheitlich von den Hügeln, vom Rosenberg in erster Linie, wo die Kandidatin selber auch wohnt. Die Briefschreiberinnen und -schreiber für Jans siedeln dagegen in weitaus grösster Zahl entlang der Talsohle, mit einigen «Ausreissern» Richtung St.Georgen bzw. Oberhofstetten, wo Jans selber wohnt. Hier das Gesamtbild:

Leserbriefe

Die Wahlgeografie widerspiegelt damit die noch immer spürbare soziale Zweiteilung der Stadt. Die Sympathien für Jans aus der «Unterstadt» verwundern wenig angesichts seiner Engagements etwa für eine ökologische Verkehrspolitik. Ebenso logisch scheint die Sympathie von «oben» für Frei. Insbesondere wenn man sich erinnert, mit welcher Vehemenz sich die Kandidatin als Stadtparlamentarierin 2008 gegen das nächtliche Stadtleben stark gemacht hatte. Im Postulat «Ausgehverhalten bis in alle Nacht – ein Albtraum» hatte sie (im Verbund mit Marcel Rotach und Roman Bühler) die «untragbaren Zustände speziell in der Innenstadt» angeprangert. «Die vielen Menschen im freien Raum verursachen Lärm und verunmöglichen eine angemessene Nachtruhe für Bewohnerinnen und Bewohner in innerstädtischen Wohnlagen.»

«Wir sind hier nicht auf Wolke sieben»

Viele Menschen im freien Raum … Freis Sorge um die Gesundheit der «Innerstädter» parierte der Stadtrat am 8. April 2008 verständnisvoll, verwies aber auf die damals im Gang befindliche Studie der Hochschule Luzern «Nutzungsmanagement im öffentlichen Raum». Deren Ergebnisse liegen seit längerem vor. Die Studie zeichnet ein naturgemäss differenziertes Bild, unterlegt mit vielen Zitaten Betroffener. Zwei davon seien hier herausgegriffen: «Also wir haben am Bahnhofplatz nicht mal so ‹cheibe› viele Delikte», sagt ein Beamter der Stadtpolizei. Und eine Hoteliêre wird mit dem schönen Satz zitiert: «Wir sind hier am Bahnhofplatz, und nicht im Paradies, nicht auf Wolke sieben, wir sind am Bahnhofplatz.»

Soweit die Sicht von unten, fünf Tage vor der Stadtratswahl.