Nicht nachhaltig? Oh doch!
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«Nicht nachhaltig». Nur schon, wenn ich das Satzfragment im Ansatz höre, bekomme ich Schweissausbrüche! Wer dieses Nicht-Argument ins Feld führen will, war kaum als Gast an der Expo.02. Oder schon so mit Skepsis bewehrt, dass er sich nur hat bestätigen wollen, was er schon immer darüber gedacht hatte: «Braucht es nicht, bringt nichts, kostet nur.»
Nehmen wir diese Breitseite mal auseinander.
Braucht es nicht?
Also gut, was braucht es überhaupt? Es braucht Luft zum Atmen und Wasser zum Trinken. Und alles, was damit zusammenhängt. Und was damit auch zusammenhängt, ist Sinn. Die Frage, «warum» wir hier eine Gemeinschaft sind und sein wollen, die in recht grossem sozialem Frieden miteinander kutschiert, bringt auch die Frage auf, «wie» wir miteinander denn künftig umgehen und wie wir gemeinsam die nächsten Herausforderungen angehen wollen. Und das nicht nur am Schreibtisch oder in Arena-Aneinandervorbeigeschwafel. Vor allem DAS nicht! Aber alle paar Jahre an einem zünftigen, klugen und fantasievollen Fest, an dem das Leben gefeiert wird! Und das Miteinander!
Bringt nichts?
Tja, was bringt denn schon was? Leuchtende Augen und lachende Herzen sind schwer in Zahlen zu fassen, dabei ist es genau das, was uns nährt, woran wir uns erinnern und wovon wir erzählen. Vom grausamen Banknoten-Schredder, von den musikalischen Höhenflügen im «Mondial», von den Klangtürmen, vom Würfel im See, von den beflügelten Fantasiefiguren, dem übergrossen Migros-Wägeli, von den kleinen Interventionen und grossen Warteschlangen, von den überraschenden Begegnungen und kulinarischen Versuchungen. Alles vergangen und alles in Hunderttausenden von Herzen gespeichert.
Kostet nur?
Ganz klar, es kostet. Es kostet nicht nur viel Geld, sondern auch viel Energie, viel Grips, viel «Blood, Sweat & Tears». So wie eben etwas kostet, das gemeinsam gebaut, umgesetzt, in die Welt gebracht, zelebriert werden soll. So wie es eben etwas kostet, wenn die Gemeinschaft der Ansicht ist, dass ein flächendeckendes Autobahnnetz, der weltweit wohl komfortabelste öffentliche Verkehr oder weitgehend saubere Flüsse und Seen wichtig sind. Oder eine Landesverteidigung, aber lassen wir das hier… Und so kostet eben auch ein von hunderten, wenn nicht tausenden Köpfen und Händen filigran zusammengefügtes Gesamtkunstwerk und ein Generationen, Landesteile und Ethnien verbindendes Fest! Klar kostet das!
Dass dieses spannungsreiche und vielschichtige Fest demnächst in der Ostschweiz stattfinden soll, ist unsere grösste Chance zu zeigen, dass wir nach wie vor ein in der Tiefe «einig Volk von Brüdern und Schwestern» sind, das den Mut, den Willen und die Stärke hat, etwas gemeinsam umzusetzen, dessen Nachhaltigkeit nicht nur in weiteren Strassen, weiteren Schienen und weiteren Infrastrukturen zu berechnen ist, sondern vor allem aus den einzigartigen Begegnungen und den weitererzählten Geschichten und Anekdoten besteht.
Andreas B. Müller war Departementsleiter und Programmverantwortlicher von 2‘500 Events auf den elf Open-air-Bühnen an der Expo.02
Dieser Beitrag erscheint als Gastkommentar im Juniheft von Saiten.
Expogespräch mit Ständerätin Karin Keller-Sutter und Ständerat Paul Rechsteiner: Donnerstag, 27. Mai, 20.15 Uhr, Palace St.Gallen