Neu planen!
St.Gallens Stadtplanerin wurde vor die Türe gesetzt – so jedenfalls muss man die kurze Mitteilung der Stadt interpretieren. Die Art der Kommunikation ist das eine Thema, das andere ist die Standhaftigkeit der Stadt gegenüber der Baulobby.
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So kurz angebunden sind Mitteilungen der Stadt sonst nie: «Frau Helen Bisang verlässt die Stadtverwaltung im Hinblick auf eine neue berufliche Herausforderung. Wir danken Frau Bisang für die geleisteten Dienste und wünschen ihr für die berufliche und private Zukunft alles Gute. Weitere Auskünfte werden nicht erteilt.» Das Communiqué wurde von der Fachstelle Kommunikation verschickt, stammt aber von der Direktion Bau und Planung.
Dies öffnet Spekulationen Tür und Tor. War es ein Konflikt mit den «Königreichen» in der Bauverwaltung? Lag es an fachlichen oder persönlichen Differenzen?
Die Macht der Investoren
Wieso das interessiert? Weil Bauen und Planen immer die Öffentlichkeit betreffen und unsere Umgebung auf Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinaus prägen. Städte in der Grösse St.Gallens kommen längst nicht mehr ohne Planungsfachleute aus. Raum- und Stadtplanung aber sind seit jeher unbeliebt, denn sie versuchen, die Bauwut in Grenzen zu halten. Heute haben Investoren und Totalunternehmer einen erheblichen Einfluss. Sie bauen, was rentiert – ob daraus ein Stück Stadt wird, interessiert sie wenig. Und dann ist da der Druck der Industrie- und Gewerbebetriebe, der Aldis, Landis und Lidls, denen es egal ist, wie weit die Siedlungsränder ausfransen. Sie bauen auf möglichst billigem Boden. Planerinnen und Planer haben allein deshalb einen schweren Stand. Typisches Beispiel für ein solches Bauen ohne urbane Qualität: die Überbauung am Birnbäumenhang,
Wenn intern zwischen Planung und Bewilligungsbehörde die Chemie nicht stimmt, wird es erst recht schwierig. Dass in St.Gallen die entscheidenen Stellen in der Baudirektion nicht reibungslos zusammenarbeiten und dass auch der Tiefbau gerne Plätze und Strassen nach eigenem Gusto baut, ist kein Amtsgeheimnis. Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht die Resultate mangelnder Zusammenarbeit fast auf Schritt und Tritt. Es ächzte schon lange im Gebälk.
Die Planung muss gestärkt werden
Nach dem personellen Wechsel müsste eine alte Strukturfrage neu diskutiert werden: Macht es wirklich Sinn, dass in St.Gallen Hochbau und Planung in zwei Ämter aufgetrennt sind? Das ist erst so, seit der damalige Stadtbaumeister Franz Eberhard 1997 nach Zürich berufen wurde. Der Stadtrat hatte damals mit der Trennung die Planung geschwächt – der Baulobby konnte das nur recht sein.
Jetzt hat die Politik eine Chance, alte Fehler zu korrigieren. Und will man den löblichen Reden der Stadträtin und der Stadträte glauben, hätte das Vorhaben momentan sogar eine Chance. Stadtpräsident Thomas Scheitlin interessiere sich zunehmend für Planungsfragen, hört man. Zwei Architekten sitzen in der Regierung (Fredy Brunner und Markus Buschor). Sie kennen die Zusammenhänge. Von Bauchefin Patrizia Adam dürfen wir erwarten, dass sie sich Überlegungen zur Reorganisation macht. Wenn der Stadtrat dann auch noch den Tiefbau – der eben auch über der Oberfläche baut – mit ins Boot nehmen würde, wäre der Kessel vielleicht geflickt – vorausgesetzt, die Leute in den Ämtern trauen sich, griffige Entscheide zu fällen, und die Politik stellt sich dann auch dahinter.