Meditatives Hörglück

Ein Schritt hinein ins Lokal, und man ist in eine andere Welt versetzt. Eine Welt des Zuhörens, der Beinah-Stille, der kollektiven Konzentration, der gedämpften Stimmen. Eine Welt, in der die Zeit auf einen Schlag keine Rolle mehr zu spielen scheint. Die Welt der Vexations.
Jetzt, um halb acht, fast 24 Stunden nach dem Start am Pfingstmontag-Abend, ist die Integral-Aufführung des Werks von Erik Satie bei den Durchläufen um 690 angekommen. 840 sollen, müssen es laut dem Willen des Komponisten insgesamt werden – wer noch nicht da war oder noch mal hin will, hat also noch bis Mitternacht Zeit. Initiant Martin Amstutz ist zuversichtlich, dass die Vexations bis dann vollständig aufgeführt sind (28 Stunden war der Plan).
«Très lent» soll das vertrackte, dreistimmige, tritonusreiche Motiv gespielt werden. Das wird es auch – gerade sind eine Pianistin und ein Gitarrist in meditativer Zweisamkeit am Werk, Ton reiht sich an Ton und Intervall an Intervall, im Hintergrund wird das Video «Nacht der Bässe» eingespielt, die Satie-Performance der fünf Kontrabässe heute früh von 3 bis 6 Uhr.
Nach kurzer Zeit hat man das vermeintlich falschtönende Stück im Ohr und kann sich schon gar nichts anderes mehr vorstellen als diese unablässig sich repetierenden paar Töne. Einer im Saal schnarcht selig. Quälerei, wie der Name des Stücks sagt? Vielmehr: ein Stück Hörglück. Und ein starkes Zeichen für die Mobilisierbarkeit der hiesigen Musikerinnen und Musiker. Die Szene lebt und klingt. Noch bis Mitternacht.