Himmelherrgottsupernova
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«Pssst, Friedrich malt Himmel.» Brachte Caspar David Friedrich den Himmel auf die Leinwand, durfte ihn niemand stören. Denn Himmel zu malen war dem grossen Melancholiker Gottesdienst. Dies in einer Zeit, als der Himmel längst verweltlicht wurde. Vorbei die Zeit, als Heilige in echtgoldenen Himmelsnischen standen und Engel auf aufgebauschten Wolken sassen. Der Himmel war ein ästhetisches und meteorologisches Gebilde geworden. So konnte Goethe den Romantiker Friedrich um Bilder für einen Wolkenatlas bitten – erhalten hat er sie selbstverständlich nicht.
Künstlerisch interessant geblieben ist der Himmel trotz aller Säkularisierung. Trefflich studieren lässt sich dies in der aktuellen Ausstellung der IG Halle. Es ist die 25. des Rapperswiler Kultur- und Kunstvereins und die letzte unter der Leitung von Peter Röllin. Gekonnt platziert ist sie im Obergeschoss des Kunst(Zeug) Hauses Rapperswil. Hier, wo der elegant geschwungene Dachaufbau wellenförmig bewegte Ausblicke in den Himmel freigibt, eröffnen nun Künstlerinnen und Künstler ihre Ansichten auf Himmelsdinge.
Wolkenlos und verletzlich
Eine Rückkehr zur göttlichen Ordnung ist nicht zu erwarten, dies zeigt sich bereits im Treppenaufgang mit der Gouache Der Engel flieht des niederländischen Surrealisten Lucebert. Faszinierend sind die höheren Sphären aber auch ohne geflügelte oder strahlenumkränzte Wesen. So lässt Andreas Hofer in Raum für Frau Angelico die Heiligen einfach weg, zurück bleibt die sorgfältig konstruierte Frührenaissancekulisse. Der 1936 in Berlin geborene, seit 1991 im Zürcher Oberland lebende Maler Werner Schmidt malt den Himmel in Friedrich’scher Tradition als transzendenten Raum. Blau oder schwarz spannt er sich über das Format, leuchtend weisse Farbspuren verleihen ihm Plastizität und holen zugleich das Licht ins Bild.
Out of the Blue – Aus heiterem Himmel:
bis 30. Juli, Kunstzeughaus Rapperswil-Jona
ighalle.ch
Überhaupt das Leuchten: Wie lässt es sich bannen? In welchen Farben? In welcher Technik? Die israelisch-schweizerische Künstlerin Naomi Leshem fotografiert den gleissenden Himmel über Landebahnen israelischer Militärflugplätze. Auf einzelnen Bildern der Serie steht eine Frau mitten auf der Landebahn, verletzlich und ins Bewusstsein rufend, dass es der Mensch ist, der diese Bahnen gebaut hat.
Hors-Sol und auf dem Mond
Immer wieder verändert der Mensch den Boden unter dem Himmel und allzu oft zum Schlechteren. So zeigt Georg Aerni in der Fotoserie El jardín de los ciclopes die Plastikplanen, mit denen nicht nur die Hors-sol-Erdbeerkulturen von der Sonne Südspaniens abgeschirmt sind, sondern gleich ein vollständiger Landstrich. Ähnlich drastisch sind die Umformungen der Landschaften in China, fotografisch festgehalten von Ferit Kuyas. Hier tritt der Himmel zurück, um bald darauf umso mächtiger ins Bild zu drängen wie etwa in der gewaltigen Wolkenformation auf einer Fotografie Markus Gislers.
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Georg Aerni: Reveque I, aus der Serie El jardín de los ciclopes, 2012 (El Ejido östlich der Stadt Almería in Andalusien). Bild: Georg Aerni, Galerie Bob Gysin, Zürich
Längst sind die Himmelsgrenzen verschwunden und andere Sphären drängen ins Bild. Ein Meilenstein war die Mondlandung 1969. Edy Brunner hat diesen Aufbruch damals in 23’688 Einzelbilder zerlegt und in einem zehn Meter langen Tableau wieder zusammengesetzt (Titelbild). Der in Düsseldorf lebende Ostschweizer Thomas Stricker reist noch weiter. Dank virtuell montierter Originalaufnahmen der NASA und ESA geht es bis in andere Galaxien und am Schluss zurück zur Sonne durch ein schwarzes Loch. Zurück zur Erdenschwere – oder doch nicht so ganz. Alles will hinauf, will fliegen, himmelhoch. Doch selbst Roman Signers Helikopter sind am Brummen gehindert, die Rotorblätter eingeklappt, verpackt. Ausgebremst? Auf die Balance kommt es an.
Diese Schwebe zwischen heiterem Abheben und bedrohlichem Kippen hat der St.Galler Andrea Corciulo perfekt in Bilder übertragen. Das ganze Dilemma, die grosse Sehnsucht nach Leichtigkeit und die vermaledeite Bodenhaftung – in diesen Collagen treffen sie aufeinander, in diesen Collagen und in der gesamten Ausstellung.
Dieser Beitrag erschien im Juniheft von Saiten.