, 3. November 2016
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«…gaga di bling blong…»

Florian Vetsch über die Ausstellung «dada ist 100» und die 13. Handpressenmesse dieses Wochenende im Eisenwerk Frauenfeld.

JS Makkos: wat is dada, 2016 (aus: dada ist 100)

2016 nimmt als Dada-Jahr kein Ende! Die Bewegung, deren Erzeugnisse von Guillaume Apollinaire, Hans Arp, Sophie Taeuber-Arp, Hugo Ball, Theo van Doesburg, Emmy Hennings, Richard Huelsenbeck, Kurt Schwitters etc. pp. entzücken und deren Fortleben im Surrealismus, der Beat Culture, der Pop Art oder der Poésie sonore fasziniert: Dada feiert 2016 wilde Urständ bei diversen Veranstaltungen, in TV-Sendungen und dicken Katalogen, ja selbst auf Briefmarken.

Auch den Schreibenden packte das Dada-Fieber, und er liess sich angesichts des Zentenariums zu diesem Haiku verleiten:

1000 Jahre Cabaret VOLTaire!

5. Februar 2016

Dort: Nada Dada
Hier: Mitsamt Jackass-Baba –
Sind alle gaga!

Noch doller gehts am 4. November zu und her, wenn im Eisenwerk zu Frauenfeld die Pforten sich nicht nur zur 13. Handpressenmesse (HPM), sondern auch zur Ausstellung dada ist 100 (samt Katalog) öffnen.

Dadaistisch inspirierte Druckkunst

Marc Berger von der brandenburgischen Edition Schwarzdruck stiess das Projekt dada ist 100 – Typografie, Letterpress & Grafik an: 2015 bat er die Zunft der Handpressendruckerinnen und Handpressendrucker um Beiträge zum Hundertjahr-Jubiläum von Dada. Er rannte offene Türen ein und erntete Erstaunliches: Über 60 Typografen, Setzer und Druckgrafiker aus zehn Ländern gratulierten der Strömung mit hinreissenden dadaistisch inspirierten Blättern, Karten, Bastelbogen, Collagen – mit Druckerzeugnissen aller Art.

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JS Makkos: Dancing with Tzara, 2016. (Bild: dada ist 100)

Aus der Schweiz sind an dem Projekt das Atelier Bodoni des Waldgut Verlags, Dafi Kühnes babyinktwice, der Schriftsetzer Daniel Kunz, die Offizin Parnassia sowie Martin Amstutz’ Point Jaune Museum (St. Gallen, Linsebühlstrasse 77, gleich beim Zebraplatz) beteiligt.

dada ist 100 wandert. War schon in Gransee, Stralsund, Halle, wird nach Frauenfeld Horn, Hamburg, Amsterdam, Gent, Mailand, Grossbritannien heimsuchen und wird hoffentlich auch noch die neoliberal gestimmte Übersee verunsichern; ein Blatt der niederländischen Eikeldoorpers zitiert Man Ray an Tristan Tzara: «dada cannot live in New York. All New York is dada, and will not tolerate a rival, – will not notice dada.»

dada ist 100: 4. bis 27. November, Eisenwerk Frauenfeld
13. Handpressenmesse:
 4. bis 6. November, ebenda
eisenwerk.ch, waldgut.ch

Der Autor und Verleger Beat Brechbühl (Jahrgang 1939), der Spiritus rector der HPM, die neu Frauenfelder Buch- und Druckkunstmesse heisst, verleiht in seinem Vorwort zum Katalog dem Begriff «Dada» eine zusätzliche Dimension: «Wir Dichter, Drucker, Verleger, PapierWortKunstMenschen sind alle mehr oder noch mehr Dadaisten – schon nur, indem wir mit unseren Texten & Taten die tristen Warnungen der kommerziellen Welt übersehen oder nichthörenwollen und trotzallem dichten, auf Papier drucken, Bücher, gedruckt auf Papier, herausgeben. Feiern wir also 100 Jahre DADA, indem wir der Idee von DADA von uns das Beste dazugeben.»

Antidot zum Kriegsfieber

Brechbühl tat dies mit dem Blatt «DADA gegen Krieg», einem Sonderdruck des Ateliers Bodoni mit einer Auflage von 7 Exemplaren. Das Blatt eröffnet den Katalog und erinnert daran, dass die Schweiz und zumal Zürich den pazifistischen Dadaisten im Ersten Weltkrieg Asyl bot. Dada als Antidot zum Kriegsfieber. Oder um es mit Hugo Balls 1916 im Cabaret Voltaire vorgetragenen Lautgedicht Gadji beri bimba freiheraus zu sagen:

tuffm im zimbrabim negramai bumbalo negramai bumbalo tuffm i zim
gadjama bimbala oo beri gadjama gaga di gadjama affalo pinx
gaga di bumbalo bumbalo gadjamen
gaga di bling blong
gaga blung

Die Ausstellung dada ist 100 kann bis am 27. November im Eisenwerk zu Frauenfeld bestaunt werden; ihre Vernissage findet zeitgleich mit der Eröffnung der 13. HPM am 4. November um 11 Uhr statt. Die HPM aber wird nach drei Tagen, am Sonntag, den 6. November, ihre Tore bereits wieder schliessen. Manche Trouvaille erwartet dort die Besucherschar, beteiligen sich doch rund 50 Exponenten des nationalen und internationalen Druckhandwerks an der 13. HPM. Darum auf denn: Früh nach Frauenfeld gepilgert, um sich dada ist 100 anzuschauen und das neodadaistische Paradies der HPM nicht zu verpassen!

Dieser Beitrag erschien im Novemberheft von Saiten.

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