Dürrenmatts Hotelbrand

Im Januar bringt das Theater St.Gallen Dürrenmatts letzten Roman «Durcheinandertal» erstmals auf die Bühne. Vorbild war das Hotel «Waldhaus» im Engadin. Es brannte sechs Wochen nach der Buchpremiere ab – wie es im Buch stand. Eine Bild-Erinnerung.
Von  René Hornung
Waldhaus Vulpera ca. 1984, Entrée (Bilder: Walter Büchi)

«Moses Melker – selber steinreich – hat eine Theologie der Armut entwickelt. Er möchte die Reichen von der Last des schnöden Mammons erlösen, damit sie der Gnade Gottes teilhaftig werden. Ein Gangster-Syndikat nimmt den Gedanken auf, erwirbt im Schweizer Durcheinandertal ein Kurhotel für Millionäre und lässt es zum Haus der Armut umbauen…».

So stand es im Klappentext zum Roman Durcheinandertal von Friedrich Dürrenmatt 1989. Klar ist, dass der Ort der Handlung das Fünf-Sterne-Hotel «Waldhaus» in Vulpera im Unterengadin ist. Es wurde 1895–1897 nach Plänen des Architekten Nikolaus Hartmann erbaut. Es war mit sehr edlen Materialien aufwendig ausgestattet und stand unter Denkmalschutz. Dürrenmatt kannte das Hotel seit 1957, und er kehrte mehrmals hierher zurück. Seine Spaziergänge in der Region haben ihn angeblich zu verschiedenen literarischen Stoffen inspiriert.

Das Entrée im Walhaus in leergeräumtem Zustand

Anfang der 1980er-Jahre geriet das Hotel allerdings in eine Krise. 1982 musste Nachlassstundung angemeldet werden und zwei Jahre lang – 1983 und 1984 – war es geschlossen. Doch dann wurde es von neuen Eigentümern übernommen und teilweise renoviert.

Premiere Durcheinandertal: 
6. Januar, 19:30 Uhr, Grosses Haus Theater St.Gallen. theatersg.ch

In Dürrenmatts Roman brennt das Hotel zum Schluss ab. Sechs Wochen, nachdem das Buch erschienen war, brannte auch das reale «Waldhaus» am 27. Mai 1989 in nur wenigen Stunden komplett aus. Die Untersuchungsbehörden gingen von Brandstiftung aus, doch Täter konnten nie ermittelt werden. Friedrich Dürrenmatt besuchte zusammen mit Charlotte Kerr im Herbst noch die Brandruine, bevor sie abgerissen wurde. Jahre später, 2004, wurde rund um den Hotelbrunnen und ein paar übrig gebliebene Holzstützen ein Kurpark eingerichtet.

Blick in die Sääle

Das Theater St.Gallen bringt Dürrenmatts Roman erstmals in einer Theaterfassung auf die Bühne. Und schreibt dazu: «In seinem letzten Roman kehrt Dürrenmatt noch einmal unten nach oben und oben nach unten. Die Süddeutsche Zeitung schrieb bei seinem Erscheinen 1989: ‹Dieser Roman wird als Gesellschaftssatire voller Ironie, als eine Groteske mit holzschnittartigen Elementen der Räuberpistole in die Literaturgeschichte eingehen.›»

Der Hotelbrand war allerdings keine Räuberpistole – sondern bittere Realität.

Dieser Beitrag erschien im Januarheft von Saiten.

Der Blick auf die Terrasse